Die Homoeopathie-Luege
letzter Minute in das Gesetzgebungsverfahren eingebrachte Veränderungen ermöglichen sämtlichen Gruppierungen unkonventioneller Heilverfahren auf der Ebene der von ihnen reklamierten âºBinnenanerkennungâ¹ in groÃem Umfang diagnostische und therapeutische Verfahren den Leistungen des Sozialversicherungssystems zugänglich zu machen. Diese Verfahren halten einer Prüfung auf Sinnhaftigkeit und Wirksamkeit nicht stand und sprengen somit die Grenzen des ohnehin bis an den Rand der Leistungsfähigkeit strapazierten Sozialversicherungssystems. Es wird nicht verkannt, daà ein Teil der Bevölkerung sich zu dieser Art Diagnostik und Therapie hingezogen fühlt. Die Finanzierung dieser Wünsche kann jedoch nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung gehen, wenn man nicht die Grundlagen einer wissenschaftlich orientierten Medizin in Frage stellen will.« Doch der Protest verhallte, die kritisierten Formulierungen blieben bestehen. Immerhin war die Sorge der Ãrzteschaft bislang unberechtigt: Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Kassen nicht dazu verdonnert, die Kosten für Homöopathika zu übernehmen.
Das Homöopathische Arzneibuch
Einen guten Eindruck davon, was »Binnenanerkennung« letztlich bedeutet, bekommt man bei einem Blick ins Homöopathische Arzneibuch (HAB). Das HAB enthält Details zu Analysemethoden und zu Reagenzien sowie 50 Vorschriften zu den Herstellungsverfahren für alle Darreichungsformen homöopathischer Arzneien von Tabletten über Globuli, flüssige Einreibungen, Salben, Augen- und Nasentropfen bis hin zu Mischungen, LM-Potenzen und anderen. Den gröÃten Teil des HAB nehmen die sogenannten Monografien ein â Einzelbeschreibungen der Mittel mit Angaben zu Eigenschaften, Prüfung auf Identität und Reinheit sowie zu Herstellung, Gehaltsbestimmung und Lagerung der Arzneiformen.
Das HAB enthält nur Regeln, die die Regeln des Deutschen Arzneibuchs (DAB) und des Europäischen Arzneibuchs ergänzen. Die erste Fassung des HAB erschien 1978. Mit vier Nachträgen wurde es zur Gesamtausgabe von 1985 zusammengefasst, die heute als HAB 1 bekannt ist. Ihr folgten weitere, teils umfangreiche Nachträge. Allein der erste Nachtrag zum HAB 1 umfasst 500 Seiten. Er enthält elf neue und zwölf geänderte Herstellungsregeln sowie 140 neue Monografien. Das derzeit gültige HAB, die Ausgabe von 2010, ist eine Loseblattsammlung mit 1860 Seiten.
Der enorme Umfang des Konvoluts erklärt sich damit, dass bei der Zubereitung homöopathischer Arzneimittel jedes Detail von ungeheurer Wichtigkeit zu sein scheint (HAB, 1. Nachtrag zur Gesamtausgabe, 1991): Werden beispielsweise Pflanzenteile für die Zubereitung der Urtinktur zerkleinert, sind dafür vier verschiedene Zerkleinerungsstufen definiert, die durch die Maschenweiten spezieller Siebe bestimmt werden können: Blätter, Blüten und Kräuter müssen der Maschenweite 4000 Mikrometer entsprechen, Hölzer, Rinden, Wurzeln der Weite 2800, Früchte, Samen 2000 und Alkaloid-Drogen 710.
Auch mit den Substanzen selbst nimmt es das HAB sehr genau: Vom Christophskraut (Actaea spicata) beispielsweise werden die »frischen nach dem Austrieb der Sprossen, aber vor der Blüte gesammelten unterirdischen Teile« verwendet, vom Götterbaum (Ailanthus altissima) »etwa zwei Teile frischer, blühender Triebe und etwa ein Teil frischer Stamm und Astrinde«, vom Acker-Gauchheil (Anagallis arvensis) »die frischen oberirdischen Teile blühender Pflanzen mit anhängenden Wurzelteilen« und von der Zwiebel (Allium cepa) schlicht die »frische Zwiebelknolle«. Auch bei Tieren ist Sorgfalt angebracht: Es dürfen nur Küchenschaben (Blatta orientalis) und nicht amerikanische Schaben verwendet werden, von der Cochenilleschildlaus (Dactylopius coccus) sind nur die »befruchteten, getrockneten Weibchen« zulässig, bei der südasiatischen Kobra oder Brillenschlange (Naja naja) muss es das »schonend getrocknete Gift« sein und beim Maulwurf (Talpa europaea) »das getrocknete Fell«, keinesfalls aber das von Nagern oder Spitzmäusen.
Die Empfehlungen der Kommission D
Ergänzt wird das HAB durch Empfehlungen der Kommission D, die gemäà AMG den aktuellen Stand des Wissens in der Homöopathie repräsentiert. Vorsitzender der Kommission D ist der niedergelassene Facharzt für Allgemeinmedizin Michael Elies aus Laubach
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