Die Homoeopathie-Luege
aufgeschrieben hat â etwa dass man weinerlich wird oder einem die Haare ausfallen.
Doch Zulassung ist für homöopathische Mittel normalerweise ohnehin kein Thema. Denn die Vorschriften gelten nur für Mittel, die ein Indikationsgebiet angeben, etwa Erkältung, Fieber oder Kopfschmerzen. Bei allen anderen Mitteln, die nach der reinen Lehre von sich behaupten, den gesamten Menschen und nicht eine Krankheit zu behandeln, ist es noch einfacher. Unter welchen Bedingungen sie in den Verkehr gebracht werden dürfen, regeln zwei AMG-Paragrafen, die sich ausschlieÃlich homöopathischen Arzneien widmen (§ 38 und § 39). Sie besagen, dass die Mittel bei der zuständigen Bundesoberbehörde nur registriert werden müssen. »Einer Zulassung bedarf es nicht«, heiÃt es dazu lapidar.
Ein Selbstgänger ist eine Registrierung jedoch nicht. Neun Unterpunkte listen Fälle auf, in denen die Registrierung zu verweigern ist: zum Beispiel wenn der »begründete Verdacht besteht«, dass das Mittel »schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maà hinausgehen«, es mehr als ein Zehntausendstel einer giftigen Ursubstanz (D4) oder mehr als ein Hundertstel (D2) in der kleinsten Dosis eines verschreibungspflichtigen allopathischen Arzneimittels enthält, es nicht nach den Verfahren des Homöopathischen Arzneibuchs hergestellt wurde und wenn der Wirkstoff als homöopathisches Arzneimittel »nicht allgemein bekannt ist«. Hürden, die ohne Probleme zu meistern sein dürften.
Ist ein homöopathisches Mittel in den Verkehr gebracht, stellt sich die Frage nach dem Verkauf. So wertvoll für die Homöopathie bei der Zulassung und Registrierung die samtweichen Ausnahmeregeln sind, so wichtig ist für ihr Ansehen der Vertrieb ihrer Mittel über Apotheken. Auch wenn eine einzige Lakritzschnecke aus dem Supermarkt mit ihrem Gehalt an Glycyrrhizin definitiv mehr pharmakologisch aktiven Wirkstoff enthält als der gesamte Vorrat aller gut 20000 Apotheken in Deutschland an homöopathischen Präparaten ab D23, wäre ein Abwandern der homöopathischen Arzneimittel in Drogerien oder gar Lebensmitteldiscounter vermutlich eine Katastrophe â schlieÃlich würde dies ihren Nimbus als ernsthafte »Medikamente« gefährden.
Entsprechend brisant ist also ein Paragraf, der die Befreiung von der Apothekenpflicht beschreibt (§ 44): Nicht über Apotheken vertrieben werden Pflanzen und Pflanzenteile sowie Mischungen, Destillate und Presssäfte von Pflanzen, sofern sie »mit ihren verkehrsüblichen deutschen Namen bezeichnet« sind und die Presssäfte nur mit Wasser erstellt wurden. So sind Orangensäfte, Kaffee und Zigaretten im Supermarkt erhältlich, homöopathische Mittel auf Pflanzenbasis jedoch nicht, da sie gegen beide Bedingungen verstoÃen. So genügt für den Erhalt der Apothekenpflicht, ein Mittel nur mit dem lateinischen Pflanzennamen zu bezeichnen â wie etwa »Allium cepa« statt »Küchenzwiebel« â und bei der Herstellung etwas Alkohol zu verwenden. Für Christine Werner vom BfArM steht die Apothekenpflicht ohnehin auÃer Frage, da nur sie eine fachkundige Beratung der Patienten gewährleisten könne.
Das Sozialgesetzbuch
Im Sozialgesetzbuch V (SGB V), das die Belange der gesetzlichen Krankenversicherung regelt, setzt sich die Sonderbehandlung der Homöopathie fort. In zwei Paragrafen, in denen es um die Kostenübernahme durch die Kassen geht, misst der Gesetzgeber wieder mit zweierlei Maà (§ 92, § 135): Wenn der Gemeinsame Bundesausschuss, das Gremium, das über die Kassenleistungen entscheidet, über Verfahren der »besonderen Therapierichtungen« Homöopathie, Anthroposophie und Phytotherapie berät, sollen Vertreter »der jeweiligen Therapierichtung« Stellungnahmen abgeben dürfen, die »in die Entscheidung einzubeziehen« sind. Dass Vertreter von naturwissenschaftlich nicht haltbaren Therapiekonzepten über ihre eigene Methode urteilen dürfen, wird »Binnenanerkennung« genannt. Sie hätte dazu führen können, dass der Gemeinsame Bundesausschuss die Kosten für homöopathische Behandlungen den Kassen aufbrummt.
Dies ging der im Mai 1997 in Eisenach versammelten Ãrzteschaft zu weit, wie sie im Beschlussprotokoll ihres 100. Deutschen Ãrztetages festhielt: »In
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