Die Homoeopathie-Luege
»Eine Einschränkung unserer Studie ist es, dass die beobachteten Effekte nicht im Hinblick auf ihre Spezifität eingestuft werden können, das heiÃt, wir können keine Schlussfolgerungen in Bezug auf die heilsamen Mechanismen ziehen.« In der späteren Langzeitauswertung der Studie liest sich das noch deutlicher: »Unsere Ergebnisse zeigen, dass es Patienten, die sich in homöopathische Behandlung begeben, wahrscheinlich deutlich besser geht, auch wenn der Effekt nicht der homöopathischen Behandlung allein zugeschrieben werden darf.« Die Zurückhaltung verwundert nicht, denn neben der liebevollen und umfangreichen homöopathischen Rundumbetreuung durften die Kranken während der Studie parallel auch noch andere Ãrzte aufsuchen und zusätzlich konventionelle Medikamente einnehmen. In einem solchen wissenschaftlichen Heuhaufen ist es praktisch unmöglich, noch die Nadel zu finden, die hier eigentlich gewirkt haben soll. Nichtsdestotrotz wird die Studie gern als Beleg angeführt, um eine angebliche Wirksamkeit von Homöopathie zu untermauern.
Warum es attraktiv ist, an Homöopathie zu glauben
Wer diese Wirksamkeit in Zweifel zieht oder sie auf Placebo-Effekte zurückführt, macht sich unbeliebt. Journalisten, die kritisch über Homöopathie berichten, können sich oft nicht retten vor wütenden Leserbriefen. Offensichtlich ist es so attraktiv, an die Macht der kleinen weiÃen Kügelchen zu glauben, dass viele sich diese Vorstellung um keinen Preis nehmen lassen wollen. Wie verbreitet dieser Glaube ist, zeigt die bereits erwähnte Allensbach-Umfrage aus dem Jahr 2009: Danach war jeder vierte Deutsche ab 16 Jahren überzeugt von dem Credo: »Homöopathische Arzneimittel sind wirksam.«
Interessanterweise legen Menschen an Methoden der Alternativmedizin anscheinend viel wohlwollendere MaÃstäbe an als an konventionelle Therapien: In einer von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Befragung wurden mehr als 2000 Patienten dazu interviewt, wofür Krankenkassen Geld ausgeben sollten und wofür eher nicht. Dabei legte immerhin die Hälfte der Teilnehmer sehr strenge Kriterien an Medizin im Allgemeinen an: Behandlungen müssten nachweislich mindestens 50 von 100 Patienten nützen, zum Beispiel, indem sie Schmerzen lindern oder das Leben verlängern, damit die Kassen sie bezahlen dürften. Ein extrem hoher Wert. Ãberraschenderweise schwenkte jedoch jeder zweite von diesen »strengen« Patienten um, wenn es um alternative Methoden wie Homöopathie oder traditionelle chinesische Medizin ging: Die sollten die Kassen gern bezahlen â selbst wenn die Wirksamkeit umstritten sei. »Alternativmedizin gilt als sanft und ungefährlich, und wenn man im Bekanntenkreis dann noch hört, dass sie jemandem geholfen hat, entwickelt eine einzige persönliche Anekdote mehr Wucht als die beste Studie oder Statistik. Das könnte die groÃe Toleranz der Befragten erklären«, sagt Adele Diederich, Professorin für Psychologie der Jacobs University Bremen, die das Forschungsprojekt betreut.
Anscheinend wird Alternativmethoden sogar komplettes Versagen klaglos verziehen: Laut mehreren Studien, darunter der Bertelsmann Gesundheitsmonitor 2002, identifizieren sich Kranke mit alternativen Therapien auch dann noch, wenn der Therapieerfolg einmal ausbleibt. Möglicherweise, weil alternative Verfahren viele andere Bedürfnisse von Patienten befriedigen, die sich darin ernst genommen und unterstützt fühlen. Diese Einstellung der Befragten war laut Gesundheitsmonitor unter anderem bei der Homöopathie besonders ausgeprägt.
Ein Grund für die Anziehungskraft der Lehre von der Macht der weiÃen Kügelchen ist sicher ein zutiefst menschliches Bedürfnis, einer Krankheit nicht machtlos ausgeliefert zu sein. Wer krank ist, fühlt sich besser, wenn er das Gefühl hat, selbst etwas für seine Genesung bewirken zu können. Die Homöopathie mit der Vorstellung, die eigenen Kräfte quasi nur von auÃen anzustoÃen, um dem Organismus die Chance zu geben, sich selbst zu heilen, erscheint im Sinne einer aktiven Interpretation von Genesung anziehender als die Vorstellung, sich passiv einem Arzt und einer Therapie auszuliefern, ohne das Ergebnis beeinflussen zu können.
Des Weiteren basiert das Gedankengebäude der Homöopathie (bei aller Komplexität durch einige Tausend Präparate mit
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