Die Homoeopathie-Luege
prinzipiell ablehnen würde, hält er es aus pragmatischen Gründen für angebracht, keine weiteren mehr durchzuführen. »Die Wahrscheinlichkeit«, so Antes, »dass die Homöopathie wirksam ist, nimmt mit jeder weiteren gemachten Studie, die keine Wirksamkeit zeigt, ab.« Die Investitionen wären an anderer Stelle besser aufgehoben: »Ich kann Ihnen sofort 30 Studien sagen, die man unbedingt machten müsste, für die aber angeblich kein Geld da ist.«
Diese Argumentation klingt logisch, krankt aber an einer gewissen Schieflage: Die Wahrscheinlichkeit, dass doch etwas dran ist an der Homöopathie und dafür neue Naturgesetze formuliert und alte über den Haufen geworfen werden müssen, existiert zwar theoretisch, und allein diese theoretische Wahrscheinlichkeit genügt manchen Autoren der Cochrane Collaboration und anderen Vertretern der evidenzbasierten Medizin, um Studien zu rechtfertigen. Sie bedenken dabei aber nicht, dass sich medizinische Studien und Naturgesetze auf völlig verschiedenen Ebenen bewegen, die man hierarchisch anordnen kann. Während die Aussagekraft von Studien prinzipiell begrenzt ist, da methodische und menschliche Schwächen niemals völlig vermeidbar sind, haben sich die geltenden Naturgesetze milliardenfach bewährt, ohne dass man jemals eine Ausnahme hätte formulieren müssen. So stehen Aussagen, die auf Naturgesetzen beruhen, an der Spitze der Hierarchie, während medizinische Studien weit darunter rangieren â und noch weiter darunter persönliche Erfahrungen.
In unserem Alltag akzeptieren wir solche Evidenz-Hierarchien ohne Murren. Ein Beispiel: Fotos einer Ãberwachungskamera können wertvolle Hinweise auf einen Täter liefern â je schärfer die Fotos, desto aussagekräftiger der Hinweis. Wenn ein Verdächtiger jedoch ein Alibi hat, wird man folgern, dass entweder die Aufnahme, und wenn sie noch so scharf ist, nicht den Verdächtigen zeigt, oder dass dessen Alibi nicht stimmt. Man wird jedoch nicht annehmen, dass ein Mensch an zwei Orten gleichzeitig sein kann.
Ãhnliches gilt für die Homöopathie: Wenn medizinische Studien eine vermeintliche Wirkung homöopathischer Arzneien feststellen, kann man daraus nur folgern, dass entweder Placebo-Effekte nicht völlig vermieden wurden oder dass die Studien fehlerhaft waren. Man sollte jedoch nicht annehmen, dass geistartige Heilkräfte am Werk waren, die von einem Wassergedächtnis transportiert wurden. Mit anderen Worten: Die Methodik der evidenzbasierten Medizin hat gar nicht die Macht, die Wirksamkeit der Homöopathie zu bestätigen oder zu widerlegen.
Harriet Hall, US-amerikanische Allgemeinärztin im Ruhestand und Grande Dame der Skeptiker-Bewegung, nannte das beim Welt-Skeptiker-Kongress in Berlin am 19.Mai 2012 in einem Vortrag den »blinden Fleck« der evidenzbasierten Medizin. Auch sie kritisiert, dass die EbM die klinischen Versuche über alles stellt und dabei grundlegende Wissenschaft beinahe vollständig ignoriert. Mit dramatischen Folgen: »Dieser blinde Fleck«, so Hall, »hat direkt dazu beigetragen, dass Quacksalberei die akademische Medizin infiltriert hat.« Schon der Astronom Carl Sagan, so Hall, habe es auf den Punkt gebracht: »AuÃerordentliche Behauptungen verlangen auÃerordentliche Beweise.«
Für die Erforschung der Homöopathie hat Hall deshalb den Begriff »Zahnfee-Wissenschaft« geprägt. Er besagt, dass man zwar untersuchen kann, welche Kinder welche Geschenke am Morgen unter ihrem Kopfkissen finden, wenn sie am Abend zuvor den ausgefallenen Zahn daruntergelegt haben, und man vermutlich sogar statistisch signifikante Ergebnisse erhalten wird â etwa dass die GröÃe der Geschenke mit dem Einkommen der Eltern zusammenhängt â, aber das wird nichts an der Tatsache ändern, dass es Zahnfeen nicht gibt.
Eine Idee wird salonfähig
Die Frage, ob man weitere Studien zur Wirksamkeit der Homöopathie anstellen sollte, beantwortet Jürgen Windeler, Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), ähnlich pragmatisch wie Gerd Antes: »Ich würde auch sagen: Hört endlich auf damit.« Studien würden allein schon deshalb nichts bringen, weil es ein »völliger Irrglaube« sei zu meinen, man könne Homöopathen mit negativen Studienergebnissen überzeugen. Für Windeler ist klar: Aus
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