Die Homoeopathie-Luege
Medikamente registrieren zu lassen. Die Gesetzesnovelle sollte dies grundlegend ändern. In einem Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit von 1976 (Drucksache 7/5091) heiÃt es dazu: »Ein Arzneimittel darf vom pharmazeutischen Unternehmer zukünftig nur dann in den Verkehr gebracht werden, wenn dieser die erforderliche Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels nachgewiesen hat.« Eine Katastrophe für die Homöopathie, schlieÃlich hätte der geforderte Nachweis der Wirksamkeit ihr Ende in der medizinischen Versorgung bedeutet und sie auf das esoterische Abstellgleis geschickt.
Doch »zahlreiche Anhänger der besonderen Therapierichtungen«, ganz vorneweg vermutlich Veronica Carstens und der Hauptgründer der Universität Witten/Herdecke Gerhard Kienle, hätten »schwerwiegende Bedenken geltend gemacht« und auf Eigenständigkeit gepocht, so der Bericht: »Sie forderten eine uneingeschränkte Delegation der Zulassungsentscheidung auf wissenschaftlich-ärztliche Gesellschaften, da nur so die ärztliche Therapiefreiheit gewahrt bleibe.« Das überzeugte den Ausschuss, der konstatierte, dass »mehrere Therapierichtungen nebeneinander bestehen, die von unterschiedlichen theoretischen Denkansätzen und wissenschaftlichen Methoden ausgehen«. So versäumte es der Gesetzgeber damals ganz bewusst, allgemeingültige wissenschaftliche Standards festzulegen. Vielmehr habe sich der Ausschuss von der »politischen Zielsetzung leiten lassen, dass sich im Zulassungsbereich der in der Arzneimitteltherapie vorhandene Wissenschaftspluralismus deutlich widerspiegeln muë. Das bedeutete: Für die »besonderen Heilverfahren« Homöopathie, anthroposophische Medizin und Phytotherapie müsse auch das »teilweise jahrhundertealte Erfahrungswissen« anerkannt werden. AbschlieÃend stellte der Bericht fest: »Das Gesetz gewährleistet somit, daà die medizinisch-klinischen Ergebnisse gleichwertig neben die medizinischen Erfahrungen gestellt werden.«
Mit anderen Worten: Während die wissenschaftsbasierte Medizin in aufwendigen Studien die Wirksamkeit ihrer Mittel nachweisen muss, genügt für die homöopathischen Mittel die »Erfahrung«. Vielleicht lieà sich der Ausschuss auch von dem Gedanken leiten, dass das Gesetz primär eine zweite Contergan-Katastrophe verhindern sollte. Da von den vermeintlich sanften Mitteln der »besonderen Therapierichtungen« so eine Gefahr nicht zu erwarten war, zeigte er sich groÃzügig. Ein Rätsel bleibt jedoch, wieso dann nur die drei Lehren Homöopathie, Anthroposophie und Pflanzenheilkunde in den Genuss der Ausnahmeregelung kamen.
Das Einknicken des Ausschusses vor der Homöopathie-Lobby hatte weitreichende Anpassungen von Gesetzen, Bestimmungen und Empfehlungen zur Folge. Vor allem im Arzneimittelgesetz, im Sozialgesetzbuch, im Homöopathischen Arzneibuch und in Empfehlungen der Kommission D, die am Bundesinstitut für Arzneimittel (BfArM) für die Angelegenheiten der Homöopathie zuständig ist, zeugen davon etliche Paragrafen und Tausende Druckseiten.
Das Arzneimittelgesetz
Das Arzneimittelgesetz von 1961 wurde im Jahr 1976 grundlegend neu gefasst und seitdem mehrfach überarbeitet. Die Fassung, aus der die folgenden Zitate stammen, wurde am 11.12.2011 zuletzt geändert.
Als homöopathisches Arzneimittel wird ein Arzneimittel definiert, das nach homöopathischen Regeln hergestellt wurde (§ 4, 26). Gedopt werden kann mit Homöopathika nicht (§ 6a, 2). Heikel für die Homöopathie könnte der Paragraf zum »Verbote zum Schutz vor Täuschung« (§ 8) werden: »Es ist verboten, Arzneimittel oder Wirkstoffe herzustellen oder in den Verkehr zu bringen, die mit irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung versehen sind. Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor, wenn Arzneimitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen oder Wirkstoffen eine Aktivität beigelegt werden, die sie nicht haben.«
Dem entgehen die Hersteller, wenn sie auf dem Beipackzettel keine Wirkungen angeben. Zur Begründung heiÃt es beispielsweise auf der Homepage des Pharmaunternehmens Deutsche Homöopathie-Union (DHU): »Homöopathie geht von individuellen Patienten aus, die aus unterschiedlichen Gründen krank werden und z.B. nicht DAS Schmerzmittel brauchen, sondern IHR jeweiliges,
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