Die Homoeopathie-Luege
Schlaglicht auf die sonst übliche homöopathische Praxis der Arzneimittelprüfungen warf. Donner erinnerte sich: »Zwei der mitbeobachtenden Professoren kamen zu mir, um zu erfragen, ob denn bei homöopathischen Arzneiprüfungen der Prüfungsleiter immer auch wisse, welches Mittel geprüft wird? Dann hätten doch alle seit Hahnemann gemachten Nachprüfungen nur einen äuÃerst zweifelhaften Wert, da der Prüfungsleiter dann unter den angegebenen Symptomen eben die heraussuchte, die für das geprüfte Mittel sprechen können.« Und Donner fügte hinzu: »Nun, so war es eben leider.«
In einem weiteren Vorversuch sollte die Leistungsfähigkeit der Homöopathie in der Klinik überprüft werden. Um das Verfahren zu objektivieren und die positive Wirkung des Arztes und des Gesprächs mit den Patienten auszublenden, sprach der DZVhÃ-Vorsitzende Rabe nicht allein mit den Patienten, sondern ging im Pulk mit den anderen Medizinern mit und besprach die Arzneigaben auÃer Hörweite der Patienten, die die Mittel dann im Laufe der nächsten Tage unauffällig bekamen. Das Ergebnis war niederschmetternd. Als im darauffolgenden Jahr Donner vor Beauftragte des Reichsgesundheitsamtes zitiert wurde, um über die Ergebnisse zu berichten, musste er antworten, »daà bei der Arzneiprüfung nichts herausgekommen ist und daà bei den klinischen Versuchen bei keinem einzigen Patienten eine irgendwie für eine therapeutische Wirkung der eingesetzten Arzneien sprechende Reaktion eingetreten ist«.
Doch Donner bat um eine weitere Chance, bevor man die Fehlschläge offiziell machen würde. So beriet sich die Kommission erneut mit Rabe. SchlieÃlich einigte man sich darauf, die Wirkung von Sepia, dem Sekret des Tintenfischs, zu überprüfen, und auÃerdem für einen rein homöopathischen Therapieversuch eine 50-Betten-Station mit Patienten, die an einer lebensbedrohlichen Ãberfunktion der Schilddrüse litten, zur Verfügung zu stellen. So bekäme Rabe die Gelegenheit, die von ihm zuvor behauptete Wirksamkeit der Homöopathie unter Beweis zu stellen. Als Rabe und Donner das Gebäude verlieÃen, zeigte sich Rabe jedoch eher bestürzt als begeistert über diese einmalige Chance. Man müsse die Versuche sofort stoppen, sagte er zu Donner, denn: »Wir können doch das gar nicht, was wir behaupten.« Es sei »heller Wahnsinn« von den Beauftragten des Reichsgesundheitsamtes, »das ernst zu nehmen, was die homöopathischen Ãrzte, die doch nur kleine Praktiker wären, so sagen oder in ihren Zeitschriften veröffentlichen«. Er habe den Beauftragten die Homöopathie so vorgetragen, wie sich die überwiegende Mehrheit der homöopathischen Ãrzte »eben die Homöopathie vorstellt«. Dass ihn das Gesundheitsamt beim Wort nehmen und ihm Hunderte todgeweihter Patienten anvertrauen wollte, hatte er nicht erwartet. Wie der Fall ausging, beschreibt Donner in seinem Bericht nicht, aber er erwähnt im Zusammenhang mit anderen Versuchen, dass »mit Kriegsausbruch die Ãberprüfungen jäh unterbrochen« wurden.
Als die Homöopathie in der Nazidiktatur die in ihrer Geschichte wohl einmalige Chance hatte, sich mit der Aussicht auf jede erdenkliche Förderung als Staatsmedizin zu etablieren, konnte sie die Gunst der Stunde nicht nutzen. Die Folge war laut Robert Jütte: »Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war die Homöopathie wieder auf sich allein gestellt.«
Contergan und die Folgen
Nachdem in den 1960er-Jahren das Dispensierverbot auch für homöopathische Ãrzte wieder eingeführt worden war, dauerte es nicht lange, bis erneut eine Ausnahmeregelung für die Homöopathie in Kraft trat. Der Anlass für die neuen Bestimmungen war die Contergan-Katastrophe. Mit ihr änderte sich die Arzneimittelzulassung in Deutschland grundlegend. Dass Kinder von Frauen, die während der Schwangerschaft das Medikament Contergan eingenommen hatten, mit nicht voll entwickelten GliedmaÃen zur Welt kamen, hatte den Verantwortlichen drastisch vor Augen geführt, wie unzureichend die Sicherheit neuer Arzneimittel bis dahin geprüft worden war.
Um die Gefahr unvorhergesehener Nebenwirkungen von Medikamenten zukünftig einzudämmen, wurde im Jahr 1976 im Arzneimittelgesetz unter anderem festgelegt, wie neue Substanzen geprüft werden müssen. Bis dahin genügte es, neue
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