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Die Homoeopathie-Luege

Die Homoeopathie-Luege

Titel: Die Homoeopathie-Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Heissmann , Christian Weymayr
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die Wissenschaftlichkeit. Einer von ihnen ist Karl Lauterbach, Medizinprofessor und gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Im Jahr 2010 forderte er, Krankenkassen zu verbieten, Versicherten die Kosten für Homöopathie zu erstatten. Zwar müssen sie weder das ausführliche homöopathische Gespräch noch die Arzneien bezahlen, aber sie dürfen es, was inzwischen die Mehrheit aller Kassen auch tut, indem sie ihren Versicherten das Homöopathie-Paket pauschal oder im Rahmen von Wahltarifen anbieten. (Wir werden im folgenden Kapitel 8 noch ausführlicher auf die Kassen eingehen.)
    Lauterbach sorgte sich bei seinem Vorstoß vermutlich weniger um die Kosten als vielmehr um die wissenschaftliche Integrität, wie er dem Spiegel sagte: »Viele Patienten glauben, die Kassen zahlen nur das, was auch nachweisbar hilft. Deshalb adeln die Krankenkassen mit ihrem Vorgehen die Homöopathie.« Laut Frankfurter Rundschau signalisierte Lauterbachs Kollege Jens Spahn von der CDU-Fraktion, bei dessen Vorschlag mitzuziehen: »Wir haben Wahltarife für Homöopathie seinerzeit auf Wunsch von SPD und Grünen eingeführt. Sollte die SPD veränderungsbereit sein, können wir sofort darüber reden.« Doch es blieb alles beim Alten, wie Rainer Hess, der damalige Vorsitzende des Gremiums, das über den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen entscheidet, im Spiegel orakelt hatte: Es habe schon viele Anläufe gegeben, die Ausnahmeregelungen für solche Mittel zu streichen, »aber einflussreiche Politiker haben dies immer wieder verhindert«.
Beliebt in hohen und höchsten Kreisen
    Ein Blick in die Geschichte der Homöopathie unterstreicht den Eindruck, dass in entscheidenden Momenten prominente Fürsprecher zur Stelle waren, um die Weichen zugunsten der Homöopathie zu stellen. Das wird an zahlreichen Beispielen deutlich, die Robert Jütte, Geschichtsprofessor und Leiter des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung in Stuttgart, in seinem Buch Geschichte der Alternativen Medizin (C.H.Beck, 1996) beschreibt.
    So gelang es Hahnemann zunehmend, Zulauf von Patienten aus höchsten gesellschaftlichen Kreisen zu erhalten. Zählte er 1820, also zehn Jahre nach dem Erscheinen der ersten Auflage des Organons, nur vier Adelige zu seinen Patienten, waren es zehn Jahre später bereits 17, darunter auch eine Prinzessin sowie die Frau des Hohenzollern-Kronprinzen. Als in den Jahren 1831 und 1832 eine Choleraepidemie in Europa wütete, schlug die große Stunde der Homöopathie: Während die Mediziner die Kranken mit Aderlass, einem quecksilberhaltigen Abführmittel, Opium und einem Trinkverbot malträtierten, empfahl Hahnemann homöopathische Arzneien, frisches Quellwasser und Kampfer – und die Kranken ansonsten in Ruhe zu lassen. Kein Wunder, dass es den homöopathisch behandelten Patienten weit besser ging als den medizinisch misshandelten. Und so konnte der Leibarzt der Frau des preußischen Kronprinzen Hahnemann begeistert berichten: »Die Cholera fördert die Liebe zur Homöopathie ungemein.« Unter den »Vornehmen« würde sich die Kunde von ihrem Erfolg rasch verbreiten.
    Doch auch im Bürgertum hatte Hahnemann glühende Verehrer, »darunter viele Juristen, Regierungs- und Stadträte oder Landtagsabgeordnete«, wie Robert Jütte schreibt. »Der Zuspruch aus diesen einflussreichen bürgerlichen Kreisen erwies sich als äußerst nützlich, wenn es wieder einmal darum ging, Angriffe zurückzuweisen und konkrete Forderungen durchzusetzen.«
    Immer wieder unternahmen einzelne Politiker Vorstöße, um der Homöopathie zu größerer Verbreitung zu verhelfen. 1833 stellte ein Abgeordneter im Landtag des Großherzogtums Baden den Antrag, an den Hochschulen für »theoretischen und practischen Unterricht in dem homöopathischen Heilverfahren« zu sorgen. Dieser Versuch blieb allerdings ebenso erfolglos wie ähnliche Vorstöße in anderen deutschen Staaten. Als im preußischen Abgeordnetenhaus 1897 eine Petition diskutiert wurde, einen Lehrstuhl für Homöopathie einzurichten, erhob der berühmte Pathologe und Politiker Rudolf Virchow mahnend die Stimme: Es sei noch hinzunehmen, so Virchow, dass Homöopathen wie andere Kurpfuscher praktizieren dürften, aber es sei für ihn nahezu undenkbar, Homöopathie als »eine Wissenschaft« an

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