Die Homoeopathie-Luege
typgerechtes Schmerzmittel.« Da solche Angaben für den lukrativen Markt der Selbstmedikation jedoch unbefriedigend sind, gibt die DHU doch zaghafte Hinweise auf die Wirkungen ihrer Mittel, mit dem Argument, »die langjährige Erfahrung« habe gezeigt, »dass sich einige Mittel bei bestimmten Erkrankungen oder Schwachstellen besonders häufig bewährt haben«. Ein Beispiel: »Küchenzwiebel, homöopathisch verdünnt, lindert genau die Symptome, die sie selbst beim Schneiden hervorruft: tränende Augen, wässrig laufende Nase.« Auf Anfrage bei der DHU bekommt man von einer Mitarbeiterin des Med.Wiss.Service dann auch noch eine genauere Auskunft: Das Mittel werde »zur Behandlung von FlieÃschnupfen; Entzündungen der Atemwege; Blähungskoliken; Nervenschmerzen häufig erfolgreich eingesetzt«. Ob das noch mit Paragraf 8 vereinbar ist, wäre zu überprüfen.
Weitere Paragrafen regeln die Beschriftung der Verpackungen, den Inhalt des Beipackzettels und die Herstellung. Sonderbehandlungen für die Homöopathie gibt es auch hier: So brauchen Lieferanten von Wirkstoffen, aus denen dann homöopathische Arzneimittel hergestellt werden, keine Genehmigung der zuständigen Behörde (§ 13, 2, 6). Zwiebeln, Küchenschaben, Bergkristalle und stark ätzende Flusssäure, aus denen Urtinkturen entstehen, darf also jeder liefern.
Eine besonders dicke Extrawurst bekommen die Hersteller homöopathischer Arzneimittel in den Paragrafen des AMG, die die Zulassung von Arzneien beschreiben. Paragraf 22 etwa beschert den Pharmafirmen der evidenzbasierten Medizin immense Mühen und Kosten: Die Unterlagen für die Zulassung müssen â aus gutem Grund â unter anderem Angaben zu den Wirkungen, den Anwendungsgebieten, den Gegenanzeigen, den Nebenwirkungen, den Wechselwirkungen mit anderen Mitteln und der Dosierung enthalten. Ferner sind Studienergebnisse der analytischen Prüfung, der pharmakologischen und toxikologischen Versuche sowie der klinischen Prüfungen beizubringen, und zwar auch solche Ergebnisse, die nicht im Sinne des Herstellers ausfielen. Der Aufwand ist gewaltig: Er kann für ein einziges Arzneimittel mit vielen Hundert Millionen Euro zu Buche schlagen. So ist die Mühe zwar nie umsonst, aber manchmal doch vergebens: Versagt werden darf die Zulassung beispielsweise dann, wenn der Hersteller nicht ausreichend belegen kann, dass sein Mittel eine therapeutische Wirksamkeit zeigt (§ 25, 2, 4).
Diese und viele weitere Zulassungsvorschriften müssten bei homöopathischen Pharmafirmen Panikattacken auslösen â wenn sich in dem Wust der Paragrafen nicht immer Formulierungen fänden, die sie mit einem Federstrich von etwaigen Existenzsorgen befreien. So gilt etwa für die Angaben zu den Wirkungen der goldene Satz: »Die medizinischen Erfahrungen der jeweiligen Therapierichtung sind zu berücksichtigen.« Das bedeutet: Während wissenschaftsbasierte Pharmafirmen die Wirksamkeit eines neuen Mittels nicht mit guten Erfahrungen begründen dürfen â schlieÃlich hatte man auch mit Contergan »gute Erfahrungen« gemacht â, ist den alternativen Pharmafirmen dies ausdrücklich gestattet.
Dass die »Erfahrungen der jeweiligen Therapierichtung« auch ausreichend gewürdigt werden, ist Sache der Zulassungskommission (§ 25). Für eine wohlwollende Besetzung ist dabei gesorgt: »In die Zulassungskommissionen werden Sachverständige berufen, die auf den jeweiligen Anwendungsgebieten und in der jeweiligen Therapierichtung (Phytotherapie, Homöopathie, Anthroposophie) über wissenschaftliche Kenntnisse verfügen und praktische Erfahrungen gesammelt haben.« Leiterin des Fachgebiets »Homöopathie und Anthroposophie« in der Abteilung »Besondere Therapierichtungen und Traditionelle Arzneimittel« am BfArM ist die Ãrztin für Innere Medizin Christine Werner. An ihr kommt eine Pharmafirma nicht vorbei, wenn sie eine homöopathische Arznei zulassen möchte. Solange sich die Firma an Hahnemann hält, dürfte das allerdings nicht allzu schwierig sein: Werner ist beispielsweise überzeugt davon, dass jeder Gesunde, der Kochsalz in homöopathischen Verdünnungen zu sich nimmt, nach einer Woche einige der 1349 Symptome erleben wird, die Hahnemann in seinem Buch Die chronischen Krankheiten für Kochsalz »in der potenzirten Decillion-Verdünnung«
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