Die Hongkong-Papiere
zu Fuß wäre er viel schneller. An den Füßen trug er noch seine Neoprenschuhe. Er hetzte in den Wald, schlängelte sich zwischen den Bäumen hindurch. Dabei hörte er genau, daß die Triebwerke der Citation nicht abgeschaltet worden waren. Während er aus dem Wald brach, konnte er beobachten, wie sie zum Ende der Startbahn rollte und sich in den Wind drehte. Im gleichen Moment tauchten Morgan, Asta und Marco um die Ecke des Haupthangars auf und gingen auf die Citation zu. Marco hatte die Uzi auf Fergusons Rücken gerichtet. Dillon blieb stehen und mußte hilflos zusehen, wie sie an Bord gingen. Wenige Sekunden später jagte die Citation röhrend über die Startbahn und stieg in den Himmel.
Als Dillon nach Ardnamurchan Lodge zurückkehrte und ins Haus trat, kam Hannah ihm aufgeregt entgegen. »Was ist passiert? Ich habe das Flugzeug starten hören.«
»Da haben Sie richtig gehört. Morgan hatte alles genau geplant. Er ist nicht mal zum Schloß zurückgekehrt. Er hat keine Minute vergeudet. Ich bin gerade noch rechtzeitig gekommen, um zu sehen, wie sie einstiegen, und zwar er und Asta, Marco und der Brigadier. Sie sind sofort gestartet.«
»Ich habe mich mit dem Hauptquartier in Verbindung gesetzt, damit sie den Flugplan checken, den Morgan eingereicht hat.«
»Sehr gut. Rufen Sie noch einmal dort an und geben Sie Lacey den Befehl, mit dem Lear auf kürzestem Weg herzu kommen.«
»Das habe ich auch schon erledigt, Dillon«, sagte sie.
»Es geht doch nichts über eine Scotland-Yard-Ausbildung.
Ich ziehe mich jetzt erst einmal um.«
Als er zurückkam, trug er schwarze Jeans, einen weißen Rollkragenpullover und seine alte schwarze Pilotenjacke. Hannah saß im Wohnzimmer hinter Fergusons Schreibtisch und hatte den Telefonhörer am Ohr. Kim kam mit einer Kanne Kaffee und zwei Tassen herein.
Sie legte den Hörer auf die Gabel. »Laut Flugplan wollen sie nach Oslo.«
»Das ist verständlich. Sie wollen so schnell wie möglich unseren Luftraum verlassen. Und wohin danach?«
»Erst auftanken und dann weiter nach Palermo.«
»Nun, er hat verlauten lassen, daß er dorthin wollte. Er bringt das Dokument zu Luca.«
»Und den Brigadier?«
»Hat Kim Ihnen das nicht erzählt? Er will ihn an irgendwel
che arabische Fanatiker im Iran verkaufen.«
»Können wir Morgan denn in Oslo nicht aufhalten?«
Dillon schaute auf seine Uhr. »Bei dem Tempo seiner Ma
schine dürfte er im Augenblick gerade landen. Können Sie sich vorstellen, wie lange es dauern würde, sich über das Außenmi nisterium an die norwegische Regierung zu wenden? Keine Chance, Hannah, er ist längst weg.«
»Demnach bleiben uns nur noch die italienischen Regierungs stellen in Palermo.«
Dillon zündete sich eine Zigarette an. »Das ist der beste Witz, den ich seit langem gehört habe. Wir haben es hier mit Don Giovanni Luca zu tun, dem mächtigsten Mann Siziliens. Auf seinen Befehl hin werden auch schon mal hochrangige Richter ermordet.«
Sie wurde allmählich unruhig, und es war ihr deutlich anzu sehen. Ihr Gesicht war sehr blaß. »Wir können diesen Morgan und dieses hinterhältige Luder doch nicht so einfach davon
kommen lassen, Dillon.«
»Ja, sie war richtig gut, nicht wahr?« Er lächelte düster. »Sie hat mich tatsächlich getäuscht.«
»Ach, zur Hölle mit Ihrem verdammten männlichen Ego! Ich denke im Augenblick nur an den Brigadier.«
»Das tue ich auch, liebes Kind. Am besten rufen Sie jetzt in der Zentrale an und machen den Leuten dort klar, daß Sie mit Major Paolo Gagini vom italienischen Geheimdienst in Palermo reden wollen. Er dürfte sich brennend für die Angele genheit interessieren. Schließlich war er es, der Ferguson über die Geschichte dieses Abkommens informiert hat. Laut der Akte, die Sie mir gezeigt haben, ist er auch ein intimer Kenner Lucas und seiner Gewohnheiten. Mal sehen, was ihm zu dieser Sache einfällt.«
»Prima, gute Idee.« Sie nahm den Hörer ab und machte sich an die Arbeit. Dillon spazierte nach draußen auf die Terrasse, zündete sich eine weitere Zigarette an und starrte nachdenklich in den Regen.
Im Hintergrund hörte er zwar Hannahs Stimme, aber mit den Gedanken war er bei Ferguson. Er versuchte sich vorzustellen, was mit ihm im Iran geschehen würde, und das war einfach zu schrecklich, um darüber nachzudenken. Seltsam, aber erst in einer Situation wie dieser erkannte er, daß er für den Brigadier eine Menge Sympathie empfand. Er
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