Die Horde 1 - Der Daemon des Kriegers
dichten Nadelwälder, die ringsum wuchsen, so dicht wie die Wolle eines ungeschorenen Schafes. Die Bewohner waren schlicht, ernst und arbeiteten schwer, sie waren religiös und abergläubisch. Sie glaubten an die Tugend von einfacher Kleidung, einfachem Essen und der Gemeinschaft mit den Nachbarn.
Sanvescu war jedoch auch eine Gemeinde, so schildert es zumindest die Legende, die von Entsetzen heimgesucht wurde. Drei Brüder schlossen sich mehrere Nächte lang im Tempel von Chalsene ein und verschlangen mit ihren Augen und ihrem Verstand die ältesten und geheimsten Lehren des Bringers der Finsternis, einschließlich jener, welche die zivilisiertesten Zweige der Kirche schon lange ausgemerzt hatten. Es waren Geschichten von Opferungen, von Gräueltaten, von Macht, gewährt im Austausch für Blut, und von den Rechten der Starken über die Schwachen. Diese Lehren waren ihre geistige Nahrung. War es nur Neugier, die aus dem Ruder gelaufen war? Oder gehörten diese drei Brüder einer verbrecherisch veranlagten Familie an, welche göttliche Erlaubnis und heilige Absolution für diesen Schrecken suchte, den sie zu verbreiten geneigt war?
Was auch immer der Fall sein mochte, die drei Brüder jedenfalls wurden zum Albtraum von Sanvescu. Familien wurden abgeschlachtet und ihre Leichen sorgfältig zu okkulten Symbolen zurechtgelegt. Männer, Frauen und Kinder verschwanden von den Straßen, und ihr Blut schmückte alsbald die Altäre von Chalsene. Monatelang waren die Bürger von Sanvescu starr vor Entsetzen, weil sie nicht wussten, ob die Quälgeister sterblich waren oder von jenseits des dünnen Schleiers des Lebens stammten.
Es war der Sheriff von Sanvescu, ein Mann namens Harlif, der diesem Albtraum schließlich ein Ende bereitete, dafür jedoch einen auf die ganze Welt losließ. Denn Harlif hatte herausgefunden, durch Spuren und Blutflecken, dass jeder Mord von drei Männern gemeinschaftlich begangen wurde, und diese Erkenntnis führte ihn am Ende zu den drei Brüdern. Sie wurden gefesselt und ohne viel Federlesens oder einen Prozess aufgehängt, bis sie tot waren, und dann in flachen Gräbern verscharrt. Auf jedes Grab pflanzten die Dorfbewohner eine große Eiche, die sie aus dem nahegelegenen Wald geholt hatten, um den Zyklus der Götter zu symbolisieren, nämlich dass das Leben immer aus dem Tode entsprießt.
Hätte Harlif es dabei belassen, hätte er den Sieg akzeptiert und damit die Bewunderung und das Lob der ganzen Stadt, was er sich redlich verdient hatte, und die Sache wäre erledigt gewesen. Aber Harlif war wütend, ganz Sanvescu war wütend, und das relativ schnelle Verschwinden ihrer Folterknechte hatte sie nicht befriedigt.
Einige Nächte später führte Harlif eine Gruppe von aufgebrachten Bürgern zum Tempel von Chalsene, denn er und die anderen machten die Priester des Bringers der Finsternis und ihre Lehren für all das verantwortlich, was sich ereignet hatte. Die Türen wurden mit Stühlen und Tischen verrammelt, die Fenster mit Brettern zugenagelt, und mitten in einem Gottesdienst, als die zwei Dutzend Bürger von Sanvescu, welche Chalsene verehrten, in der Kirche beteten, setzte Harlif das Gotteshaus in Brand. Dann stand er da, badete sich in der Wärme und sah zu, wie der dichte schwarze Rauch in den Himmel stieg. Er genoss die Schreie der Sterbenden ebenso erfreut, wie er die Dankbarkeit der Stadtbewohner genossen hatte.
Es gibt unterschiedliche Varianten dieser Legende: Einige behaupten, dass die Priester von Chalsene im Sterben einen Fluch ausgesprochen hätten, andere dagegen meinen, der Bringer der Finsternis höchstselbst hätte Anstoß am Tun des Sheriffs genommen. Wie auch immer es darum bestellt sein mochte, jedenfalls wachte Harlif in jener Nacht in seinem Schlafzimmer auf, in dem es so kalt war wie mitten im tiefsten Winter. Nebel drang von draußen durch die Scheiben und hinterließ eine Spur von Blut auf dem Boden. Als sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, starrte er mit unbeschreiblichem Entsetzen in ein Gesicht, das so bleich war wie der Tod.
Dieses Gesicht sprach zu ihm. »Jeder Tropfen Blut, den ich vergieße«, sagte es, »jedes Leben, das ich von nun an bis zum Ende der Tage nehme, wird auf deiner Seele lasten, nicht auf meiner. Denn ich habe niemanden mehr, den ich verdammen kann.«
Die Stadtbewohner fanden Harlif am nächsten Morgen, sein Leichnam war so weiß wie Schnee und vollkommen blutleer. Die abergläubischen Dorfbewohner vermuteten das Schlimmste,
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