Die Horde 1 - Der Daemon des Kriegers
wehten, und das eine oder andere Birkenwäldchen unterbrachen die Eintönigkeit.
»Wo also ist Seilloah, oh Meisterhexer?«, fragte der Oger unvermittelt. »Du hast mir immer noch nicht erzählt, wohin wir unterwegs sind.«
Corvis hatte gehofft, sein Gefährte würde das Thema noch etwas länger ruhen lassen, und straffte die Schultern.
»Du kennst doch ihre Vorliebe für … sagen wir … eine bewaldete Umgebung, stimmt’s?«
»Rebaine …«
»Da wir wissen, wer und was sie ist, ist uns auch klar, dass sie nicht dieselben angeborenen Vorurteile und die Art von Aberglauben hat, zu der sehr viele gewöhnliche Leute neigen.«
Ein Muskel in Davros Wange begann zu zucken. »Rebaine? Wo ist sie?«
Corvis seufzte. »Wenn ich die Entfernung richtig eingeschätzt habe, ist sie im … Theaghl-Gohlatch.«
Der Oger wich zurück und riss das Auge so weit auf, dass sich sein ganzes Gesicht dehnte. Er holte zischend Luft, und mit der Hand, mit der er nicht den Speer umklammert hielt, griff er unwillkürlich zum Knauf seines frisch polierten Schwertes.
»Du bist verrückt geworden! Du bist vollkommen, absolut wahnsinnig!«
»Ich bin genauso vernünftig wie immer«, erwiderte Corvis sanftmütig.
»Das ist ja wirklich beruhigend! Nein! Nie im Leben! Genauso gut können wir den Kampf gleich hier austragen! Da habe ich eine weitaus bessere Chance, nach Hause zu kommen, als wenn wir in den Theaghl-Gohlatch gehen.«
»Ich bezweifle, dass er wirklich so schlimm ist.«
»Fahr zur Hölle! Ihr Menschen haltet mein Volk für Wilde, und das sind wir vielleicht auch, aber eines der ersten Dinge, die wir lernen, noch bevor wir auch nur einen Finger auf einen Speer oder ein Schwert legen, ist, dass der eigene Tod stets einem Zweck dienen sollte. Du willst, dass ich mich, nur mit einer Schöpfkelle und einem Truthahn bewaffnet, einem Heer von mehreren hundert Soldaten stelle? Es ist ehrenvoll, in der Schlacht zu sterben, insofern würde ich zumindest kurz darüber nachdenken, bevor ich antworte, dass du dir deinen Vorschlag sonstwohin stecken kannst. Aber nie im Leben würde ich auch nur einen Gedanken daran verschwenden, mein Leben vollkommen sinnlos wegzuwerfen. Nein, da gehe ich nicht hin.«
»Ich glaube mich erinnern zu können, dass du einen Eid geleistet hast, Davro.«
»Aber da wusste ich noch nichts von diesem Wahnsinn! Ich habe gesagt, ich würde dir helfen, so gut ich kann. Von einem Walddämon auf einen blutsaugenden Baum aufgespießt zu sterben zähle ich nicht gerade zu meinen Fähigkeiten.«
»Schön!«, fuhr Corvis ihn an. Die ganze Sache ging ihm allmählich auf die Nerven.
»Dann begleite mich wenigstens bis zum Waldrand. Dort kannst du ein Lager errichten und mit Rascal warten, während ich hineingehe und Seilloah suche.«
»Und was soll ich tun, während ich warte?«
»Das interessiert mich nicht! Sing Lieder am Lagerfeuer, erzähl dem Pferd Geistergeschichten, kurz, mach, was du willst!« Corvis trieb Rascal an, ohne auf die Antwort des Ogers zu warten.
In den nächsten fünf Tagen bestand ihre Konversation aus gelegentlichen Bemerkungen wie »Wir lagern hier« und »Wenn du noch einmal so laut schnarchst, stopfe ich dir diese Kaninchenkeule hier in die Nase«. Die Meilen krochen nur so dahin, und sie brauchten allein drei Tage, um die Ebene hinter sich zu lassen, wobei sie einen überraschend großen Teil der Rationen verzehrten, die Corvis dabeihatte.
Zum Glück für die hungrigen Reisenden wich die Ebene allmählich einem spärlichen Wald, der sich, laut Corvis’ Karte und den Hinweisen seines Bannes, irgendwann zu dem nahezu unpassierbaren Forst des Theaghl-Gohlatch verdichten würde. Der Wald war sehr wohlwollend, jedenfalls am Anfang, ganz zu schweigen von dem Wild, den Kaninchen und einer Vielzahl anderer essbaren Kreaturen, von denen es nur so wimmelte, einschließlich der Eulen, die laut Davro bei seinem Volk als Delikatesse galten. Kaum hatten sie den Wald erreicht, holte Corvis eine kleine Armbrust aus seiner Satteltasche, mit der er etwas Schmackhafteres als eine getrocknete Aprikose oder eine platt gepresste Feige erjagen wollte. In ihrer ersten Nacht im Wald hatte er nur ein Kaninchen geschossen, aber am zweiten Abend gelang es ihm nach wenigen Versuchen, einen stattlichen Rehbock zu erlegen. Davro brach etliche dicke Zweige von den Bäumen und fügte sie zu zwei groben Y zusammen. Dann spitzte er einen Schössling an, und kurz darauf saßen die beiden um ein lustig flackerndes Lagerfeuer
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