Die Horde 1 - Der Daemon des Kriegers
Davro, sondern um Furcht. Verstehst du, wenn …«
»Das interessiert mich nicht. Der Krieg sollte eigentlich die reinste Form des Kampfes sein, in diesem Glauben bin ich aufgewachsen. Aber das hier ist alles andere als rein. Und ich frage mich, wenn Chalsene das wirklich von uns will, wie rein kann er dann sein?«
»Vielleicht solltest du besser einen anderen Gott anbeten, Davro.«
»Natürlich.« Er schnaubte wieder und rülpste erneut. »Welcher andere Gott würde schon einen Oger akzeptieren?«
Darüber konnte Seilloah nur lächeln.
Der Himmel wirkte an diesem Tag wie aus Blei. Der Horizont versteckte sich hinter einem grauen Vorhang, und die bedrohlichen Wolken, tief und schwer, schienen selbst die Luft niederzupressen.
Angeblich hatte vor einigen Wochen der Herbst begonnen, aber noch war der Sommer nicht bereit, seinen ausgedehnten Besuch zu beenden. In fast ganz Imphallion war die Hitze immer noch drückend, und auch wenn die Luft etwas kühler war, hatte sie einen so hohen Feuchtigkeitsgehalt, dass man scheinbar zu ertrinken drohte, wenn man auch nur die Haustür öffnete. Den meisten Bewohnern des Königreiches ging es, deutlich gesagt, regelrecht elendig.
Allerdings ist Elend eine relative Angelegenheit. In Vorringar übertraf der Vorrat an Elend bei weitem die Nachfrage, und es sah nicht so aus, als würde es besser werden.
Es lag nicht an der Hitze, obwohl die Einwohner tagsüber so wenig Kleidung trugen, wie der Anstand es zuließ, während sie mühsam ihrer Arbeit nachgingen. Es lag auch nicht an der Luftfeuchtigkeit, obwohl jeden Einwohner von Vorringar eine Duftwolke aus Schweiß umgab, die ganze Schwärme von Moskitos anzog. Die Straßen der Stadt wurden einfach nicht trocken, und bei jedem Schritt hinterließ das Schuhwerk eine dünne Schleimspur auf den zahlreichen Wegen und Plätzen der Siedlung. Der Gestank nach ungewaschenen Körpern, altem Schweiß und fauligem Gemüse lastete auf der Gemeinde wie eine Aura, die man fast mit bloßem Auge sehen konnte. Aber die Bürger von Vorringar hätten dies alles und noch viel mehr nur zu gern ertragen, wenn die Soldaten bloß endlich abgerückt wären.
Jeder Raum in den beiden kleinen Herbergen der Ortschaft, jedes freie Zimmer in den Häusern, selbst die Fußböden der größeren Geschäfte, kurz, jeder denkbare Platz, wo man jemanden einquartieren konnte, war von einem Söldner belegt. Trotzdem war immer noch nicht Platz genug für alle. Vorringar war von einer Zeltstadt eingekesselt, von Lagerfeuern und den Schlafdecken Tausender Krieger. Die Stadt hatte fast kein Vieh mehr, ganz zu schweigen von den rasend schnell zusammenschmelzenden Vorräten an Alkohol.
Seilloah saß am Ende eines langen Tisches in der größten Kaserne der Ortschaft. Ihre Augen waren gerötet und trübe, ihr braunes Kleid war zerknittert wie ein ungewaschenes Laken. Die Taverne trug den Namen Zur Lüsternen Fee , was wahrscheinlich auf eine Laune oder vielleicht auch auf Trunkenheit zurückzuführen war. Sie war der inoffizielle Kommandoposten, von dem aus Davro und sie ihr Bestes taten, um die Anarchie zu kontrollieren, die sie lachend den »Aufmarsch der Truppen« nannten. Davro und sie hatten sich gedacht, wenn sie ihr Hauptquartier in einer Kaserne aufschlügen, wären sie für die Söldner leichter zu erreichen.
Das hatte sich, wie sie jetzt feststellten, als ein strategischer Fehler erwiesen. Seilloah und Davro hatten die letzten Wochen damit verbracht, in der Stadt herumzuhetzen und Feuer zu löschen, und zwar nicht immer nur im übertragenen Sinne.
Hatten die Söldner ein Problem, gingen sie zu ihren Kompaniechefs, und die Kommandeure wandten sich an Seilloah. Wenn die Einwohner Ärger mit den Soldaten hatten, wandten sie sich ebenfalls an Seilloah. In den letzten sieben Tagen hatte die Hexe weniger als zwanzig Stunden geschlafen.
»Was mache ich hier eigentlich, Davro?«, fragte sie ihren Begleiter. Sie musste schreien, um sich über den Lärm im Schankraum hinweg verständlich zu machen. »Ich kann überhaupt nicht gut mit Leuten umgehen! Warum, glaubst du wohl, habe ich es mir angewöhnt, sie zu essen, und bin außerdem in einen einsamen Wald gezogen?«
Der Oger saß auf einem der größten Fässer der Taverne, das er als Hocker benutzte, und zuckte mit den Schultern. »Ich habe selbst eine Weile versucht dahinterzukommen. Ich weiß, warum ich hier bin: Man hat mir in dieser Angelegenheit keine Wahl gelassen. Dir dagegen schon.«
Seilloahs Miene schwankte
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