Die Horde 2 - Die Tochter des Kriegers
vor der Tür postierte Soldat wusste allerdings nicht genau, was und ob er überhaupt etwas
gehört hatte. Weil er sich vor seinen Kameraden nicht zum Narren machen wollte und außerdem davon überzeugt war, dass die Gefangenen in dem Schuppen sicher eingesperrt waren, schlug er jedoch keinen Alarm und rief auch nicht um Hilfe.
Vielmehr hob er den Balken selbst an und zog die Tür ein Stück auf, um einen Blick hineinzuwerfen und sich davon zu überzeugen, dass alles in Ordnung war.
Die Fußfessel, die ganze Fessel, und nicht nur der Sicherungsstift, war zwar alles andere als eine schlagkräftige Waffe, aber immer noch besser als gar keine. Cerris packte das gebogene Eisen an der Innenseite und schlug zu. Obwohl die Zinke dem Soldaten die Zähne zertrümmerte und ihm die Kehle aufriss, hätte er vielleicht noch einen Schrei ausstoßen können, sogar trotz des nächsten Schlages, der ihm ein Auge zerschmetterte und es in die Augenhöhle presste. Aber beide Hiebe zusammen waren einfach zu viel. Der Wachsoldat fiel mit einem leisen Poltern zu Boden. Er war bewusstlos von dem Schock, wenn nicht sogar tot.
Cerris sah sich verstohlen um, trat durch die Tür und schob den Balken wieder davor. So schnell er konnte entfernte er sich von dem Schuppen mit den Gefangenen und zog den Soldaten dabei hinter sich her. Dabei konnte er mit Leichtigkeit den wenigen Patrouillen ausweichen, die mitten in der Nacht noch unterwegs waren. Er ließ den Leichnam hinter der Mannschaftsmesse liegen, nachdem er dem Mann das Schwert abgenommen und ihm mehrmals das Gesicht damit durchbohrt hatte, um die wahre Natur der tödlichen Wunde zu verbergen. Es war zwar riskant, einen toten Soldaten im Lager zurückzulassen, weil die anderen ihn zweifellos bald finden würden. Aber er konnte wenigstens dafür sorgen, dass der Verdacht nicht direkt auf einen entflohenen Gefangenen fiel.
Nachdem Cerris diese blutige Aufgabe erledigt hatte, erhob er sich und wirkte einen anderen Zauber. Der Kettenpanzer und der Wappenrock mit dem Greif, die plötzlich über seiner Gefangenentunika auftauchten, würden zwar einer näheren Betrachtung nicht standhalten, aber sie würden genügen, bis Cerris einen anderen Wachsoldaten fand, der, anders als dieser nutzlose Bursche hier, ungefähr seine Statur hatte.
Nachdem Cerris besagten Wachsoldaten gefunden und ihn von hinten erwürgt hatte, erwies sich die durchschnittliche Größe der cephiranischen Besatzungsmacht als Vorteil für ihn. Da sich die Posten an den Stadttoren von Rahariem unmöglich das Gesicht jedes Soldaten merken konnten und außerdem davon überzeugt waren, dass die Gefangenen sicher verwahrt und bewacht wurden, zumal die Patrouillen auf den Straßen alle Eindringlinge von außen fernhielten, winkten sie Cerris durch, ohne ihm mehr als einen flüchtigen Blick zu widmen.
Hinter den Mauern wirkte Rahariem gar nicht so verändert. Sicher, überall wehten rote Banner an den Fahnenstangen, und viele Leute, die auf den Straßen spazieren gingen, trugen Wappenröcke in einer ähnlichen Farbe. Auf den Wällen und hastig zusammengezimmerten Plattformen standen unzählige Kriegsmaschinen, Katapulte, Steinschleudern und sogar weit reichende Bliden. Sie hatten den Cephiranern bei der Eroberung von Rahariem geholfen und sollten jetzt bei der Verteidigung der Stadt wertvolle Dienste leisten.
Die Straßen waren ebenso belebt wie zuvor, und das Gelächter in den Tavernen war nicht weniger laut. Zwar war der größte Teil von Rahariems arbeitsfähiger Bevölkerung in Arbeitslager außerhalb der Stadt verfrachtet worden, die Jungen, die Alten und Gebrechlichen jedoch durften ihr
Leben weiterführen. Die Geschäfte hatten geöffnet, die Tavernen und Gaststätten standen Bürgern wie Invasoren gleichermaßen offen, und selbstverständlich hüteten sich die Offiziere, ihren eigenen Soldaten jegliche Vergnügungen zu verwehren, indem sie die Bordelle schlossen oder die Prostituierten von den Straßen vertrieben.
Cerris schritt gelassen durch die Straßen, nickte seinen vermeintlichen Kameraden gelegentlich zu, salutierte vor einem Offizier und warf all jenen, die nach der Ausgangssperre noch auf der Straße sein durften, finstere Blicke zu. Er kam rasch voran, wie er vermutet hatte. Um den Handelskarawanen den Weg zu erleichtern waren die breiten Straßen glatt gepflastert, schnurgerade angelegt und hatten ein leicht erkennbares Muster. Diese Planung war der Stadt gut bekommen, jedenfalls so lange, bis die Bewohner
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