Die Horde 2 - Die Tochter des Kriegers
kannst du gerne tun«, erwiderte Cerris, nun wieder vollkommen gelassen. »Allerdings müsstest du Lady Irrial danach erklären, warum sie die einzige Adelige in der ganzen Stadt ist, die sich keine Textilien aus Mecepheum leisten kann. Oder importierte Früchte oder tausend andere Dinge.«
»Ich … Ihr …«
»Und nun husch, husch.« Cerris konnte sich gerade noch davon abhalten, dem alten Mann die Wange zu tätscheln. Es überraschte ihn, dass dem Butler kein Dampf aus den Ohren zischte, als er sich umdrehte, mit steifem Rücken davonstolzierte und die mit einem roten Läufer versehene Treppe hinaufschritt.
Es waren nur wenige Minuten verstrichen, als erneut Schritte auf den Stufen zu hören waren. Aber die Gestalt, die sie nun herabstieg, gekleidet in ein luxuriöses, mit Goldfäden durchwirktes smaragdgrünes Gewand, war ganz gewiss nicht der Butler. Die Baroness sah mindestens zehn Jahre jünger aus, als sie tatsächlich war. Offenbar hatte sie sich dem gesetzten Alter mit einem Knüppel in der Hand gestellt und es zu Brei geschlagen. Ihr kupferfarbenes Haar war zwar zu einem Dutt zusammengefasst, aber nicht
so fest gebunden, wie es gerade Mode war, und auf ihrem Gesicht war eine beträchtliche Anzahl Sommersprossen zu sehen. Die meisten Aristokraten hätten ganz gewiss versucht, diesen Makel mit Cremes und Puder zu verbergen, aber die Baroness schien ihn mit geradezu arrogantem Stolz zu tragen, wie ein Abzeichen.
Cerris, der schon seit, nun ja, seit einiger Zeit keine Frau mehr angesehen hatte, spürte, wie er sich unwillkürlich straffte.
»Lady Irrial«, begrüßte er die Baroness, verbeugte sich halbwegs passabel und berührte mit den Lippen kurz ihre Fingerknöchel.
»Warum schubst Ihr den armen Rannert derart herum, Meister Cerris?« Ihre Stimme klang rauchig.
Ihre Mundwinkel waren heruntergezogen, aber als Cerris sich aufrichtete, hätte er schwören können, dass er sah, wie unter den Sommersprossen ein amüsierter Ausdruck über ihr Gesicht flog.
»Ich habe angenommen, dass Ihr es nicht zu schätzen wissen würdet, wenn ich ihn niederschlüge, Mylady, und ihn zu bestechen erschien mir ebenso respektlos.«
Die herabgezogenen Mundwinkel zuckten.
»Bitte nehmt Platz, Meister Cerris.« Sie deutete auf einen der Stühle im Salon. Ihr Gewand umfloss sie bei der Bewegung wie Nebel.
»Oh, bitte, Cerris genügt«, sagte er, während er ihr gegenüber Platz nahm. »Ich muss mich entschuldigen, weil ich einfach so hier hereingeplatzt bin, Mylady. Aber ich habe es nun mal für das Beste gehalten, dafür zu sorgen, dass jeder mich kennt, da wir alle zusammenarbeiten werden.«
»Tun wir das tatsächlich? Und warum denn bitte, ›Cerris genügt‹? «
»Ich bin der neue Besitzer von Danriens Handelshaus.«
Irrial öffnete unwillkürlich den Mund. »Danrien hat verkauft? Alles?«
Cerris nickte.
»Ich fasse es einfach nicht. Dieser alte Gau… Ich meine, dieser
liebe, alte Mann«, verbesserte sie sich rasch, als sie trotz des Schocks ihre Fassung wiederfand. »Er hat für den Handel gelebt. Ich war mir sicher, dass seine Nachfolger ihm am Tag seines Todes, und Vantares möge geduldig sein, die Kontobücher aus der einen und seine Geldbörse aus der anderen Hand winden müssten.« Sie runzelte die Stirn. »Nach allem, was Rannert mir gerade erzählt hat, seid Ihr vermutlich nicht der diplomatischste Mensch. Wie ist es Euch gelungen, ihn zum Verkauf zu überreden?«
»Ich habe ein bisschen von meiner persönlichen Magie gewirkt, Mylady«, erwiderte Cerris ausdruckslos.
»Verstehe. Ich hoffe, dass Ihr nicht vorhabt, alle Eure Geschäfte auf die Weise zu führen, wie Ihr mit meinen Angestellten umgegangen seid.«
»Nicht, wenn es sich vermeiden lässt.«
Für einen Moment herrschte peinliches Schweigen. »Euch ist schon klar, dass hier eigentlich mein Cousin Herzog Halmon regiert. Wir anderen verwalten das Reich zwar, während er auf dem Thron des Regenten in Mecepheum sitzt, aber uns gehört jeweils nur ein kleiner Teil der Ländereien der Stadt. Ich kann allein unmöglich ein Handelsabkommen für ganz Rahariem abschließen.«
»Oh, das verstehe ich, Mylady. Ihr seid nicht die einzige Adelige auf meiner Agenda. Ich wollte einfach nur jeden von Euch kennenlernen und Euch allen versichern, dass ich die sich durch den Inhaberwechsel ergebende Gelegenheit nicht dazu nutzen werde, die Preise für die Waren und Transporte zu erhöhen.«
»Das ist wahrlich nett von Euch, Cerris. Werdet Ihr denn auch
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