Die Horde 2 - Die Tochter des Kriegers
hast du überlegt, wie du dich selbst schützen und gleichzeitig die ganze Webergilde in einem Handstreich übernehmen könntest. Außerdem hattest du einen idealen Kandidaten, dem du die Schuld in die Schuhe schieben konntest.«
Der Plan ist einer anderen List gar nicht so unähnlich, über die ich aber lieber Stillschweigen bewahre, dachte er fast amüsiert.
»Gehen wir«, murmelte Jassion. Er war verärgert und frustriert. »Wir haben hier nur unsere Zeit verschwendet.«
»Ich glaube«, erwiderte Kaleb mit einem breiten Grinsen, »dass vielmehr du unsere Zeit verschwendet hast.«
Jassion stürmte durch die Tür und knallte sie hinter sich ins Schloss.
»Was nicht heißt«, fuhr Kaleb fort, und sein Lächeln erlosch, als er sich zu seiner Gefährtin umdrehte, »dass er der Einzige gewesen wäre.«
Mellorin errötete und starrte auf ihre Füße. Das Haar fiel ihr wie ein dünner Vorhang vors Gesicht. Sie bewegte die Lippen, was durchaus »Tut mir leid« hätte heißen können, und folgte dann ihrem wütenden Onkel. Vielleicht hoffte sie, ihn beruhigen zu können, bevor er irgendjemanden zusammenschlug, vielleicht wollte sie auch nur vor Kalebs Enttäuschung flüchten.
Sobald sie verschwunden war, erlosch jede Spur von Humor oder Schmerz aus Kalebs Gesicht, ja, sogar jede Spur von Menschlichkeit verschwand. Er murmelte einen Bann, bewegte sich mit übernatürlicher Geschwindigkeit, sammelte die Stücke der falschen Rüstung zusammen und schnallte sie dem Mann um, der immer noch heftig zappelnd an der Wand hing. Nachdem er ihm die Rüstung komplett angelegt hatte, trat Kaleb zurück. Er wirkte einen zweiten Bann, der dafür sorgte, dass keine Geräusche oder Schreie die Wände des Hauses durchdringen konnten. Dann folgte ein dritter Zauber, der Preis, den man bezahlen muss, wenn man einem rachsüchtigen Hexer in die Quere kommt.
Anschließend kehrte Kaleb in das Hotel zurück, in dem sie Zimmer gemietet hatten, und ließ die Rüstung und den darin gefangenen Mann zurück, der noch immer lautlos brüllte, während beide langsam zu einer schleimigen Pfütze dahinschmolzen.
»Nach Westen.«
Kaleb verdrehte die Augen so sehr, dass er die Stimme in seinem Kopf fast hätte sehen können.
»Natürlich geht er nach Westen«, flüsterte er, als er sich aus dem Fenster des spärlich möblierten Raumes beugte. »Du hast gesagt, er sei gerade in Emdimir. Sofern er nicht auf die Idee gekommen ist, Rahariem ganz alleine zu befreien oder sogar Cephira anzugreifen, muss er nach Westen unterwegs sein.«
Nenavars Seufzer war über die magische Verbindung deutlich zu hören. Verhöhne mich nicht, Kaleb. So haben es unsere cephiranischen Freunde mir nun mal berichtet, und es ist zumindest ein Anfang. Jetzt setz dich in Bewegung! Ich werde dir weitere Informationen geben, sobald ich sie habe.
Der Hexer verließ den Raum und raffte seine Habseligkeiten
mit einer einzigen Armbewegung zusammen. Dann öffnete er die Tür zu der Kammer neben seiner und ging hinein. Einen Moment stand er da und beobachtete die schlummernde Gestalt, die im Licht der einsamen Kerze kaum zu erkennen war.
Mellorin stöhnte leise im Schlaf. Doch dann setzte sie sich plötzlich auf, als hätte sie seine Anwesenheit gespürt. Sie keuchte und zog sich die Decke bis ans Kinn. Kaleb war amüsiert über ihre Reaktion, weil ihr Nachthemd weit sittsamer war als die meisten prunkvollen Abendroben.
»Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken«, sagte er leise.
»Kaleb, was ist los? Ist …« Sie warf einen Blick durch den schmalen Spalt zwischen den Fensterläden. »Es ist mitten in der Nacht.«
»Ich weiß, trotzdem müssen wir aufbrechen. Ich erkläre es dir, nachdem ich Jassion aufgeweckt habe. Du solltest dich jetzt lieber anziehen.«
»Also … also gut.«
Keiner von ihnen rührte sich.
»Kaleb?«
»Verdammt«, sagte er und legte so viel übertriebene Enttäuschung in dieses eine Wort, wie er nur aufbringen konnte.
Mellorin musste unwillkürlich lächeln, und der Hexer konnte nicht verhindern, dass er das Lächeln erwiderte. Denn ab sofort war es mehr als unwahrscheinlich, dass er jemals wieder unter einem Aufflackern ihres früheren Trotzes würde leiden müssen. Er wandte sich ab und ging in den dritten Raum, während Mellorin sich langsam anzog.
Jassion hatte weniger gelassen darauf reagiert, dass Kaleb ihn mitten in der Nacht weckte, aber die Neuigkeiten beschwichtigten ihn schnell.
»Wie?«, wollte der Baron wissen, während
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