Die Horde 2 - Die Tochter des Kriegers
durchaus die Gefahr, dass er die Täuschung durchschaut.«
»Ich verstehe. Tu es einfach.«
Wenige Augenblicke später verließen ein Mann und eine Frau, die Cerris und Irrial nur noch entfernt ähnelten, die Tischlerei.
Um zu vermeiden, dass sie auf jemanden stießen, dessen Vertrautheitsgrad ihnen möglicherweise Probleme bereitete, ging Irrial ausschließlich in Schenken, die sie in ihrem Leben als Aristokratin niemals aufgesucht hatte. Cerris legte unterdessen den Wappenrock von Cephira an, in dem er sich mittlerweile ebenso wohlfühlte wie in seiner eigenen Haut, auch wenn er dringend ein warmes Bad benötigte, und trat damit auf die Straße.
Während der Mond über den Himmel glitt und in seinem Kielwasser liebeskranke Sterne zurückließ, schlenderte Cerris von Häuserblock zu Häuserblock, plauderte mit den Wachen, mit Soldaten, die gerade frei hatten, mit einem freundlichen Betrunkenen und sogar mit einem Offizier, dem er anbot, eine Kiste mit Karten und Unterlagen zu schleppen, wobei er sich den Rücken verrenkte. Die meisten hatten nur aus dritter oder vierter Hand von dem schrecklichen Kampf gehört, und in ihren Schilderungen übertrieben sie maßlos, sowohl was die Zahl der Angreifer als auch die Kühnheit der Cephiraner anging.
In einem Punkt stimmten jedoch alle Berichte überein, nämlich in jenem, dass nur sehr wenige Aufständische überlebt hatten, von denen die meisten unter schwerer Bewachung eingesperrt worden waren und nun ein Verhör unter Folter vor sich hatten. Cerris hatte das Gefühl, sein Herz sei so tief gesunken, dass es fast Gefahr lief, ihm aus dem Hosenbein zu rutschen, und bald hegte er kaum noch Hoffnung, dass noch jemand außer Irrial und ihm entkommen war.
Als er zur Tischlerwerkstatt zurückkehrte, schlurfte er förmlich über die Pflastersteine, und sein Nacken schmerzte fürchterlich, weil der Kopf darauf mit Sand gefüllt zu sein schien. Es war ein wirklich sehr langer Tag gewesen, voller körperlicher, emotionaler und magischer Anstrengungen, und Cerris war ziemlich überrascht, dass er nicht schon vor Stunden einfach wie ein Sack Getreide, sehr müdes Getreide wohlgemerkt, zusammengebrochen war.
Irrial schien seine Warnung beherzigt zu haben, denn sie wartete bereits auf der Werkbank auf ihn.
»Ich fürchte«, sagte er, während er Kettenhemd und Wappenrock achtlos neben der Tür zu Boden fallen ließ, »dass ich es nicht … Irrial! Was ist los?«
Jetzt erst hatte er den Blick bemerkt, den sie ihm zuwarf. Er wirkte extrem gequält, und sie war so blass, dass die Sommersprossen auf Nase und Wangen wie Rostflecken hervorstachen. Die dunklen Ringe unter den Augen ließen diese fast wie leere Augenhöhlen aussehen.
»Ich glaube, mein Cousin ist tot, Cerris«, sagte sie leise.
»Was? Herzog Halmon?« Er wollte zu ihr gehen und sie trösten, ließ sich stattdessen jedoch auf ein Fass fallen, das gegenüber der Werkbank stand. »Wie …«
»Es sind nur Gerüchte«, gab sie zu und kaute gedankenverloren an ihren Haarspitzen. »Aber es sind so viele.
Ich habe mit Freunden und Familien vieler Mitglieder des Widerstandes gesprochen«, sagte sie nach einer kurzen Pause, als sie sich ein wenig gefasst hatte. »Niemand hat etwas gehört. Entweder verhalten sich die Entkommenen ausgesprochen ruhig, oder …« Sie musste den Satz nicht beenden. Sie wussten beide, was dieses »oder« bedeutete.
»Ich habe die Gerüchte vor allem in den Schänken gehört«, fuhr sie fort. »Einige der Leute, die die Cephiraner aus den anderen Siedlungen zusammengetrieben haben, sind davon überzeugt, dass die Gilden und der Adel aus gutem Grund nicht auf die Invasion reagieren und dass dieser über die normalen Streitigkeiten zwischen den beiden Gruppen hinausgeht. Sie sagen, etliche Gildenmeister und Adelige seien vor kurzem gestorben. Einschließlich … einschließlich Halmon.«
»Ich habe auch davon gehört«, sagte er, hielt es aber für besser, ihr nicht zu verraten, wer es ihm erzählt hatte. »Aber ich habe niemals einen Namen gehört, sonst hätte ich es dir gesagt. Mir hat auch niemand genau beschrieben, was …«
»Sie wurden grausam ermordet«, unterbrach sie ihn eindringlich. »Von Corvis Rebaine.«
Das Fass unter ihm schien sich zu bewegen. Cerris zuckte mit den Beinen und ruderte mit den Armen, als er versuchte das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Ihre Worte hatten ihn wie ein Schlag getroffen. »Was … Was hast du da gesagt? «
Sie schüttelte ungläubig den Kopf, weil
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