Die Horde - Die Schlacht von Morthûl
Leichenkönig seine eine Braue wölbte. »Noch immer, nach all den Jahren, Havarren?« Er klang enttäuscht. » Noch immer unterschätzt Ihr mich, weil ich das Pech hatte, als Mensch geboren zu werden. Ich verfüge über eine Macht, die Ihr nie kennengelernt habt. Das wisst Ihr, und doch seid Ihr immer wieder überrascht. Dies vor Euch zu verbergen war nicht unbedingt das Leichteste, das ich jemals getan habe, aber so schwer war es auch wieder nicht.« Er runzelte die Stirn, und es sah nach echtem Kummer aus. »Ich komme nicht oft hierher. Es war unsere kleine Zuflucht, bis sie entschied, den größten Teil ihrer Zeit im Unheimlichen Schloss zu verbringen.«
Havarren schob seinen verletzten Stolz beiseite und sank in den nächsten Sessel. Mit seinen hängenden Schultern sah er nicht wie einer der mächtigsten Zauberer der Welt aus, sondern eher wie ein müder, schlecht gekleideter Mann in mittleren Jahren.
»Warum habt ihr mich hierherbestellt?«, fragte er heiser. »Nur um Euch zu brüsten?«
»Um mich zu brüsten, Havarren? Dazu besteht kaum Anlass. Seht nur.« Der Leichenkönig deutete über Kirol Syrreth hinweg. Das Bild flackerte kurz und veränderte sich dann. Das Land glitt unter ihnen hinweg und kam näher, als sie ihm entgegensanken. Schließlich verharrten die beiden Beobachter etwa hundert Meter über den Wachtürmen beim Schlangenpass.
»Fort Rohth«, erkannte Havarren. »Und Fort Jhikinian. Was ist mit ihnen?«
»Beobachtet, was geschieht«, sagte der Dunkle Lord.
Havarren beobachtete … Wie auf seinen Wunsch hin veränderte sich das Bild und brachte ihn näher, damit er mehr Einzelheiten erkennen konnte.
»Dororam …«
»In der Tat. Seine Soldaten haben vor einigen Stunden die Grenze erreicht. Damit hat der Krieg richtig begonnen.«
Havarren nickte langsam. »Na schön. Ich verstehe, warum Ihr mich auf dem Laufenden halten wollt, aber niemand kann behaupten, dass wir dies nicht erwartet haben. Wir …«
»Beobachtet weiter.«
Der blonde Zauberer unterdrückte ein verärgertes Seufzen und kam der Aufforderung nach. Er hatte nicht die geringste Ahnung, was Morthûl ihm zeigen wollte, hielt einfach nur Ausschau und wartete.
Sein gelangweilter Blick erreichte ein besonders wildes Bataillon, das zu gleichen Teilen aus Menschen und Orks bestand. Von der linken Flanke kämpfte es sich ungestüm durch eine von Dororams Abteilungen, ließ dabei eine blutige Spur aus toten Menschen, Elfen und Pferden hinter sich. Die alliierten Soldaten in der Nähe begannen zurückzuweichen.
Havarren wollte gerade die Disziplin der gegnerischen Kämpfer kommentieren, als die Luft hinter der vorrückenden Einheit schimmerte und so etwas wie Dunst aus dem Boden kam. Die Nebelschwaden teilten sich in der Mitte, und zum Vorschein kam eine ganze Legion von Dororams Rittern. Von hinten fiel sie über die Krieger des Leichenkönigs her, rollte wie ein stählerner Tsunami aus Speeren und Klingen über sie hinweg.
Havarren wandte sich von dem beunruhigenden Anblick ab, und der Dunkle Lord ließ das Bild wieder zurückweichen, bis erneut das ganze Land zu sehen war.
»DuMark?«, fragte der Zauberer.
Morthûl nickte, wodurch einige Kakerlaken aus seiner leeren Augenhöhle rutschten und klackend auf dem unsichtbaren Boden landeten. »Offenbar habt nicht nur Ihr die unglückliche Neigung, das eine oder andere zu unterschätzen. Ich war davon überzeugt – absolut davon überzeugt –, dass sich der Halbelf zurückhalten würde, um eventuelle Aktionen meinerseits zu kontern. Die Vorstellung, dass er bei den alltägliche Angelegenheiten des Krieges mitwirken würde …« Der Leichenkönig lachte leise und humorlos.
»Wir haben ihn selbst darauf hingewiesen«, fuhr er fort. »Als wir es riskierten, das Dämonen-Korps auf Sabryen zu hetzen, anstatt uns selbst um ihn zu kümmern … Da muss ihm klargeworden sein, dass wir unsere Kraft für Wichtigeres aufsparen. Und er begriff, dass er einen Teil seiner Magie früh einsetzen kann, weil es uns widerstreben würde, ihm Paroli zu bieten.«
»Aber dann … hat er Dororam schutzlos zurückgelassen?«, fragte Havarren ungläubig. »Der Teleport so vieler Ritter hat ihn sicher geschwächt …«
»Er hat andere Zauberer mit dem Schutz des Königs beauftragt.« Morthûl schloss das Buch, das er die ganze Zeit offen in den Händen gehalten hatte. »Eine Gruppe närrischer, hochnäsiger alter Männer und Frauen, aber zu Erstaunlichem imstande, wenn sie sich zusammenraufen und für
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