Die Horde - Die Schlacht von Morthûl
aufgehende Sonne über den Horizont kroch. (Es muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass Gork, ein wenig außer Atem, im letzten Moment eintraf und sich Jhurpess nach seinem Abstecher zur Krankenstube einfach auf dem Hof schlafen gelegt hatte.) Shreckt hielt sein Wort und erschien wenige Sekunden später. In der einen Hand hielt er eine Reitpeitsche, passend für seine Größe, und damit schlug er auf sein Bein, als er auf demselben Nichts wie am vergangenen Tag auf und ab ging.
»Gut«, sagte er mit einem zufriedenen Lächeln. »Ihr könnt Befehle befolgen. Kein schlechter Anfang.«
Er musterte die Angetretenen der Reihe nach. »Ihr seid als Teil eines Korps hier«, sagte er, »weil ihr angeblich das Beste seid, das eure Völker anzubieten haben. Ausgebildete und erfahrene Soldaten, oder Killer – was auch immer. Es wäre also überflüssig, euch auf die übliche Weise auszubilden.«
Cræosh wusste nicht, wie es den anderen erging, aber er bekam ein ungutes Gefühl. Eine »unübliche« Ausbildung, so ahnte er, konnte vermutlich sehr unangenehm werden.
»Der Schlangenpass ist der einzige Weg durch die Schwefelberge, der einem Heer genug Platz bietet«, fuhr Shreckt fort. »Aber Dororam könnte kleinere Gruppen über die anderen Pässe schicken, mit der Absicht, sie hinter unsere Hauptverteidigungslinien zu bringen. Die wahrscheinlichsten Orte dafür befinden sich in den nordöstlichen Bergen, in der Steppe. Der erste Schritt besteht also darin herauszufinden, ob ihr Elitesoldaten dort ebenso gut zurechtkommt wie hier.«
Cræosh schnitt eine Grimasse. Er verabscheute die Kälte.
»Eure erste Übung ist daher ganz einfach: Überlebt vier Tage in der Tundra. Anschließend sehen wir weiter.«
Die Trollin hob eine Klauenhand.
»Ja?«
»In vier Tagen … erreichen wir kaum … die Steppe. Selbst von hier … ist es ein … langer Weg.«
»Stimmt.« Shreckt grinste boshaft. »Deshalb geht ihr nicht zu Fuß.«
Es blieb Cræosh gerade noch Zeit genug, Oh, Mist! zu denken, bevor eine plötzliche, nach Schwefel riechende Rauchwolke sie forttrug. Shreckt blieb allein auf dem Hof zurück, beziehungsweise darüber, und lachte gackernd.
2 ELFENÜBERRASCHUNG
»Etwas besorgt dich«, sagte Lidia leise.
»Glaubst du?«, erwiderte duMark und drehte sich um, als ihn seine unruhige Wanderung erneut zur gegenüberliegenden Wand des kleinen Schlafzimmers brachte. »Wie kommst du nur darauf?«
Die Lippen der jungen Späherin zuckten. »Du läufst wie ein gefangener Ork herum, deshalb. Wenn mir klar gewesen wäre, dass du so ausdauernd bist, hätte ich …«
Der Halbelf blieb stehen und hob die Hand. » Denk nicht einmal daran, den Satz zu beenden.«
Die langbeinige Rothaarige sah ihn an, und er glaubte zu erkennen, wie es hinter ihren Augen arbeitete. Doch sie war es, die schließlich nachgab.
»Entschuldige, Ananias. Ich schätze, ich bin noch immer ein bisschen empfindlich wegen der ganzen Sache.«
In den Monaten, die dem Angriff auf die Eiserne Burg gefolgt waren, hatte sich Pater Thomas – langjähriger Gefährte von Ananias duMark und ein sehr geschickter Chirurg – alle Mühe gegeben, den von General Falchion angerichtete Schaden zu reparieren. Zwar hatte Lidia keine Schmerzen mehr, und sie konnte wieder problemlos atmen und riechen, aber sie sah noch immer wie eine Frau aus, die den stählernen Panzerhandschuh eines Kriegers ins Gesicht bekommen hatte. Ihr Kopf war verformt, die Nase schief, die Haut ringsum verfärbt. Der Verlust ihrer früheren Schönheit hatte ihre Entschlossenheit, für das Gute, die Freiheit und den ganzen Rest zu kämpfen, in keiner Weise beeinträchtigt, aber ihren Freunden fiel die Umstellung schwerer als ihr selbst.
Wenn bestimmte Reaktionen von anderen kamen, wurde sie leicht damit fertig. Doch wenn Ananias sie ansah – besser gesagt, wenn er vermied, sie anzusehen –, fühlte es sich nach all dem, was zwischen ihnen gewesen war, wie ein Messerstich in den Bauch an.
Natürlich ließ sich Lidia das nicht anmerken.
Sie schob die Demütigung beiseite, stand mit einer geschmeidigen Bewegung auf, trat vor den durchs Zimmer stapfenden Zauberer und versperrte ihm den Weg – er hatte bereits deutliche Spuren auf dem Teppich hinterlassen.
»Wenn du bei der eingeschlagenen Richtung geblieben wärst, anstatt jedes Mal umzudrehen, sobald du die Wand erreichst …«, sagte Lidia, als er sie verärgert anstarrte. »Dann hättest du inzwischen die Schwefelberge erreicht.«
»Ich
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