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Die Hornisse

Die Hornisse

Titel: Die Hornisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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herum und hätte fast den Hörer fallen lassen, als sie den jungen Volunteer Cop in ihrer Tür stehen und sich hastig Notizen auf einen Reporterblock machen sah. Da kam dieser Hurensohn doch tatsächlich einfach in ihr Büro marschiert und schrieb sich jedes einzelne vertrauliche Wort über die sensationellsten und furchterregendsten Mordfälle auf, die die Stadt je erlebt hatte. Bis jetzt hatte man der Presse alle sensiblen Einzelheiten vorenthalten, da der politische Druck ständig zunahm und immer bedrohlicher wurde.
    »Ich muß jetzt gehen«, sagte West abrupt.
    Sie knallte den Hörer auf und schnitt damit dem A.D.A. das Wort ab. Gleichzeitig nagelte sie Brazil mit ihrem Blick fest. »Schließen Sie die Tür«, sagte sie leise, aber in einem harten Ton, der jeden Mitarbeiter oder jeden, dem eine Festnahme drohte, zu Tode erschreckt hätte.
    Ohne mit der Wimper zu zucken, ging Brazil auf ihren Schreibtisch zu. Er hatte nicht die Absicht, sich von einem hohen Bürokratentier einschüchtern zu lassen, das ihn offensichtlich unterschätzte. Er ließ die von Webb entwendeten Berichte auf ihren Schreibtisch gleiten.
    »Was soll das hier?« fragte West.
    »Ich bin Andy Brazil vom Observer«, antwortete er höflich, aber kühl. »Webb hat Berichte aus dem Pressekorb gestohlen. Es könnte ja sein, daß Sie das interessiert. Und ich werde noch ein Funkgerät brauchen. Ich sollte um vier Uhr bei Ihnen sein.«
    »Und Ihre Lauschattacke?« West rollte in ihrem Sessel zurück und stand auf. »Für mich sieht es so aus, als hätten Sie Ihre Story bereits.«
    »Ich werde ein Funkgerät brauchen«, erinnerte Brazil sie noch einmal, denn er konnte sich nicht vorstellen, da draußen ohne eine ständige Verbindung zu den Einsatzleitern zu sein. »Nein, das werden Sie nicht. Darauf können Sie Gift nehmen«, versprach West.
    Verärgert stopfte sie ein paar Akten in ihre Tasche und ließ sie zuschnappen. Sie griff nach ihrer Handtasche und stolzierte hinaus. Brazil folgte ihr auf den Fersen.
    »Sie haben wirklich Nerven«, fuhr sie wütend fort, als sei ihr dieser uniformierte junge Mann schon lange ein Dorn im Auge. »Sie sind nicht besser als all die anderen da draußen. Reicht man ihnen den kleinen Finger, reißen sie einem gleich den ganzen Arm aus. Man kann wirklich niemandem trauen.«
    West war ganz anders, als Brazil es sich gedacht hatte. Das Bild, das er sich gemacht hatte, war das einer übergewichtigen und überheblichen Polizeichefin, einer flachbrüstigen Frau mit männlich kantigem Gesicht und überstrapaziertem, strohigem Haar. Ihm war selbst nicht klar, wie er zu diesem Bild gekommen war. Und nun hatte er das genaue Gegenteil vor sich. Sie war einsfünfundsiebzig bis einsachtundsiebzig groß, und hatte dunkelrotes Haar, das ihr kaum bis zum Nacken reichte. Zudem war sie sehr gut gebaut. Ihre Rundungen befanden sich genau an der richtigen Stelle, und sie hatte kein Gramm Fett zuviel. Aber das alles interessierte ihn nicht und würde ihn auch nie interessieren. In seinen Augen war sie unfreundlich und unattraktiv.
    West stieß die Glastür auf, die auf den Parkplatz hinausführte.
    Auf dem Weg zu ihrem zivilen Crown Victoria wühlte sie in ihrer Handtasche.
    »Ich habe aller Welt gesagt, daß ich diese Aktion ganz und gar nicht gutheiße. Aber das hat ja niemanden interessiert!« Sie spielte mit dem Schlüsselbund.
    »Was hätten Sie getan?«, fragte Brazil herausfordernd. West hielt inne und sah ihn an. Sie riß die Wagentür auf, aber Brazil fing sie ab.
    »Es wäre nett, wenn ich ein faires Verfahren bekäme.« Er hielt ihr seinen Notizblock hin und blätterte in dem Gekritzel, das während ihres Telefongesprächs entstanden war. »Ich habe mir Notizen über Sie und Ihr Büro gemacht«, verkündete er in einem Ton ganz wie der A.D.A. mit dem West gerade telefoniert hatte. Sie brauchte nur flüchtig hinzusehen, um zu erkennen, daß ihre Vermutung falsch gewesen war. Also trat sie einen Schritt zurück, seufzte und musterte Volunteer Officer Brazil von oben bis unten. Sie fragte sich, wie ein Reporter wohl zu diesem Aufzug gekommen sein mochte. Was war nur aus der Polizei geworden. Hammer mußte ihren gesunden Menschenverstand verloren haben. Tatsache war, daß Brazil wegen Amtsanmaßung festgenommen werden müßte. »Wo wohnen Sie?« fragte West. »In Davidson.«
    Das traf sich gut. Dann gingen die nächsten eineinhalb Stunden schon mal für die Fahrt drauf. Vielleicht konnte West das sogar noch ausdehnen. Je länger

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