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Die Hornisse

Die Hornisse

Titel: Die Hornisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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für sie aussagten. Pond war sich der verspannten Körperhaltung der Richterin und ihres unglücklichen Verhaltens durchaus bewußt. Er wußte um die häufigen Rückzüge der Richterin in ihr Büro. Seine einzige Chance lag darin, aus dieser Schwäche Kapital zu schlagen. Immer wenn Ihre Ehren sich gerade erheben wollten, ging Staatsanwalt Pond eilig zum nächsten Fall über. Ohne Übergang rief er erneut Johnny Martino auf. Pond hoffte, den Widerstand der Richterin zu brechen, sie angesichts der Auswirkungen ihrer Wasserkur mürbe zu machen. Der Staat North Carolina gegen Johnny Martino, mußte Ihre Ehren hören. Bei diesen Worten kehrte West in die Wirklichkeit zurück, und Hammer war in Gedanken wieder im Krankenhaus. Pond hoffte inständig, Hammers Wohlwollen zu gewinnen, wenn er in drei Jahren für das Amt des Bezirksstaatsanwalts kandidierte. »Johnny Martino«, wiederholte Pond Sekunden später.
    »Ich bin noch nicht bereit, diesen Fall zu verhandeln.« Die Richterin konnte kaum noch sprechen.
    »Alex Brown«, rief darauf der Staatsanwalt.
    »Hier.« Mr. Brown war aufgestanden, ebenso sein Rechtsbeistand. »Wie bekennen Sie sich zu dem Vorwurf der vorsätzlichen Körperverletzung?«
    »Er hat angefangen«, gab Mr. Brown zu Protokoll. »Was hätte ich denn tun sollen? Bei Church's habe ich mir eine Portion Hühnchenleber geholt, dann kommt er daher und will dasselbe. Nur, daß er meine will und nicht bezahlen.«
    Hammer hatte genügend Zeit gehabt, um langsam in die Gegenwart zurückzukehren und ihre Umgebung mit allen handelnden Personen wahrzunehmen. Diese Verfahren waren entschieden deprimierender, als sie es sich vorgestellt hatte. Kein Wunder, daß Beamte und Ermittler entmutigt, müde und zynisch wurden. Es hatte Zeiten gegeben, da konnte sie Angeklagten wie diesen kein Mitgefühl entgegenbringen. Sie hielt sie für nutzlos, faul, inkompetent und selbstzerstörerisch, für ichbezogene Taugenichtse, die keinen Beitrag für die Gesellschaft leisteten, sondern immer nur nahmen, was sie kriegen konnten. Aber jetzt mußte sie an Seth denken, an sein Geld, seine Privilegien und die Möglichkeiten, die er gehabt hatte. Sie dachte an die Liebe, die sie und andere ihm entgegengebracht hatten. Chief Hammer dachte daran, wie viele Menschen sie kannte, die wirklich um keinen Deut besser waren als jeder einzelne hier in diesem Gerichtssaal.
    West hätte Richterin Bovine am liebsten mit bloßen Händen erwürgt. Es war eine Unverschämtheit, einen Chief und einen Deputy Chief dazu zu zwingen, hier sitzen zu bleiben und sich das alles anzuhören. Immer wieder kehrten Wests Gedanken zu Brazil zurück. Sie fragte sich, ob er inzwischen wohl wieder in der Redaktion war. Ihre unerklärliche Vorahnung wurde immer düsterer, und sie wußte nicht, warum. Wenn sie nicht bald aus diesem Gerichtssaal herauskam, würde sie möglicherweise eine Szene provozieren. Unglücklicherweise war ihre Chefin in die Gegenwart zurückgekehrt, und alles um sie herum schien sie in den Bann zu ziehen. Als ob Hammer die Zeit hätte, den ganzen Tag hier herumzusitzen und Gedanken darüber nachzuhängen, wer und was aus ihr geworden war. »Johnny Martino.« Pond nahm den dritten Anlauf. »Ich werde den Fall jetzt nicht verhandeln«, fuhr ihn die Richterin an, während sie vorsichtig aufstand.
    Das war's also für wenigstens eine halbe Stunde, dachte West und kochte vor Wut. Sie und Hammer würden draußen im Gang herumsitzen und warten. Na wunderbar. Und genau so wäre es gekommen, hätte nicht Johnny Martinos Mutter eingegriffen. Mrs. Martino reichte es nämlich ebenso wie West. Mrs. Martino hatte genau durchschaut, was da vor sich ging. Sie wußte auch, daß die beiden Ladies in der ersten Reihe Batman und Robin waren, und daß die Richterin dringend zur Toilette mußte. Noch bevor Ihre Ehren von ihrem Thron herunterklettern konnten, war Mrs. Martino aufgestanden.
    »Warten Sie bitte einen Moment«, sagte Mrs. Martino laut und bahnte sich ihren Weg durch die Menge zum Richtertisch. Sie trug ein hübsches Kleid und leichte Slipper. »Ich habe jetzt die ganze Zeit genau beobachtet, was hier abläuft.«
    »Ma'am...!« protestierte die Richterin. Zu stehen bedeutete, der Krise nahe zu sein. In dem Moment betrat hinten leise ein Reporter des Radiosenders New Country WTDR den Gerichtssaal. »Nennen Sie mich nicht Ma'am!« Mrs. Martino erhob warnend den Zeigefinger. »Der Junge, der all diese unschuldigen Leute ausgeraubt hat, ist mein Sohn. Es ist also

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