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Die Hornisse

Die Hornisse

Titel: Die Hornisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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zu suchen. Tyler Bovine und der ganze Gerichtsklüngel kamen von auswärts. Sie selber wohnte auf der anderen Seite des Catawba River und pflegte eine ausgeprägte Abneigung gegen Charlotte und alles, was die Stadt an Positivem zu bieten hatte, deren Bürger eingerechnet. Nach Auffassung der Richterin war es nur eine Frage der Zeit, bis Charlotte auch ihre Heimatstadt Gastonia schlucken würde und alles andere, was Cornwallis seinerzeit noch nicht annektiert hatte. »Erheben Sie sich für die Richterin.«
    Alle folgten der Aufforderung. Richterin Bovine betrat den Gerichtssaal. Auf ihrem Gesicht lag ein verstecktes Lächeln. Ihr Blick fiel sofort auf Hammer und West. Die Richterin wußte, daß man der Presse gesteckt hatte, sie solle gar nicht erst herkommen. Das sei reine Zeitverschwendung, denn am nächsten Montag würden Batman und Robin wieder hier sein. Oh ja, das würden sie ganz gewiß. Die Richterin nahm Platz und setzte die Brille auf. War sie nicht eine bedeutende Persönlichkeit? In einer nahezu gottähnlichen Rolle? Staatsanwalt Pond starrte auf seinen Terminplan, als sähe er ihn an diesem Morgen zum erstenmal in seinem Leben. Er wußte, ihm stand eine Schlacht bevor. Aber er war entschlossen, zu obsiegen.
    »Das Gericht ruft den Fall State of North Carolina gegen Johnny Martino auf«, verkündete er mit einer Selbstsicherheit, die er gar nicht empfand.
    »Ich bin nicht bereit, diesen Fall jetzt zu verhandeln.« Richterin Bovine klang gelangweilt.
    West stieß Hammer an, die gerade an Seth dachte und nicht wußte, was sie tun würde, wenn er stürbe. Es war unwichtig, wie oft sie miteinander gestritten und sich gegenseitig verrückt gemacht hatten, wie sehr sie einander unwiderlegbar bewiesen hatten, daß es zwischen Mann und Frau keine Seelenverwandtschaft und keine Freundschaft geben konnte. Ein tragischer Zug lag auf Hammers Gesicht. Staatsanwalt Pond bezog das auf sich. Als ihren Gefolgsmann traf ihn das, was hier geschah, persönlich und natürlich auch beruflich. Sie war eine wunderbare und heldenmütige Frau, und er hatte sie enttäuscht. Sie hätte jetzt nicht unter all diesen Kretins hier sitzen müssen.
    Er hätte es verhindern müssen. Auch Richterin Bovine war Hammers Gesichtsausdruck nicht entgangen, und auch sie interpretierte ihn falsch. Als Folge nahm ihre freudige Erregung noch zu. Hammer hatte Bovine bei der letzten Wahl nicht unterstützt. Nun wollte Bovine ausloten, wie es um die bedeutende und einflußreiche Hammer wirklich bestellt war.
    Pond mußte den nächsten Fall aufrufen. »Wenn ich den Namen nenne, erhebt sich der Betreffende bitte«, verkündete er. »Maury Anthony!«
    Verzagte Gesichter waren auf Pond gerichtet. Da saßen sie vor ihm, die Angeklagten und die Zeugen. Sie schliefen oder räkelten sich gelangweilt auf den Bänken. In den hinteren Reihen erhoben sich Maury Anthony und sein Pflichtverteidiger. Sie traten vor und blieben am Tisch des Staatsanwalts stehen.
    »Mr. Anthony, wie bekennen Sie sich zur Anklage des Besitzes von Kokain zum Zweck des Weiterverkaufs?« fragte der Ankläger. »Schuldig«, sagte Mr. Anthony.
    Richterin Bovine sah den Angeklagten an, der sich in nichts von allen anderen unterschied. »Mr. Anthony, Ihnen ist bewußt, daß Sie mit einem Schuldbekenntnis auf ihr Recht auf Berufung verzichten.« Das war eher eine Feststellung als eine Frage. Mr. Anthony sah seinen Pflichtverteidiger an, und dieser nickte. Mr. Anthony wandte sich wieder der Richterin zu. »Ja, Sir«, sagte er.
    Diejenigen, die wach waren und zuhörten, ließen vereinzelt ein Lachen hören. Mr. Anthony bemerkte seinen peinlichen Fehler und grinste dümmlich. »Tut mir leid, Ma'am. Meine Augen sind nicht mehr das, was sie mal waren.« Mehr Gelächter.
    Richterin Bovines großflächiges Gesicht wurde zu Stein. »Was meint die Anklagevertretung?« fragte sie im Befehlston und trank einen Schluck aus einer Zweiliterflasche Evian-Wasser. Pond warf einen Blick in seine Notizen und dann zu Hammer und West hinüber. Folgten Sie der Verhandlung auch aufmerksam? Konnte er sie beeindrucken? Jetzt nämlich hatte er die Möglichkeit, seine Redegewandtheit unter Beweis stellen, wenn es sich auch um einen eher unbedeutenden Fall handelte. »Euer Ehren«, hob er wie gewohnt an. »In der Nacht des 22. Juli trank Mr. Anthony gegen 23.30 Uhr zusammen mit anderen Personen an der Fourth Street in der Nähe der Graham...«
    »Das Gericht benötigt die genaue Adresse«, unterbrach Richterin Bovine.

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