Die Hornisse
durchdringenden Blick und erschreckende Intelligenz. Von Seth hatten sie dafür die Trägheit eines Vier-Zylinder-Motors, der sie gemächlich und nicht unbedingt auf kürzestem Weg an ihr Ziel brachte und sich bei Überholmanövern nicht eben durch Sprintfreudigkeit auszeichnete. Randy und Jude waren es zufrieden, einfach zu existieren und ohne Hast durchs Leben zu gehen. Genuß und Befriedigung gaben ihnen ihre Träume und die Stammgäste jener Restaurants, die sie von Jahr zu Jahr beschäftigten. Sie waren glücklich mit ihren verständnisvollen Frauen, von denen sie so oder so geliebt wurden. Randy war stolz auf seine Minirollen in Filmen, die sich niemand ansah. Für Jude war es das Höchste, wenn er einen Auftritt in einem Jazzlokal hatte. Er spielte mit Leidenschaft Schlagzeug, und dabei war es ihm völlig egal, ob er zehn oder achtzig Zuhörer hatte.
Seltsamerweise war es nicht die so ganz andere dynamische Mutter gewesen, der es schwerfiel, Söhne zu haben, die nicht gerade nach den Sternen griffen. Nein, es war Seth, der sich ihrer schämte und ihre Lebensform verachtete. Ihr Vater hatte ihnen gegenüber einen so fundamentalen Mangel an Verständnis und Geduld an den Tag gelegt, daß die Söhne möglichst weit von ihren Eltern fortgezogen waren. Hammer hatte diese psychologischen Mechanismen natürlich begriffen. Seths Haß auf seine Söhne war Selbsthaß. Um das zu erkennen, bedurfte es keines besonderen Scharfsinns. Doch die Erkenntnis allein änderte natürlich nichts. Erst eine Tragödie und eine schwere Krankheit konnten diese Familie wieder vereinen. »Mom, hältst du durch?« Sie fuhren in Hammers Privatwagen. Sie saß am Steuer, Jude auf dem Rücksitz. Er faßte sie an der Schulter.
»Ich versuche es.«
Sie schluckte, während Randy sie besorgt von der Seite ansah. »Eigentlich möchte ich ihn nicht sehen«, sagte Randy. Er hielt die Blumen in der Hand, die er am Flughafen für seinen Vater gekauft hatte.
»Das ist verständlich«, sagte Hammer, sah in den Rückspiegel und wechselte die Spur. Es hatte zu regnen begonnen. »Wie geht es meinen Kleinen?«
»Großartig«, sagte Jude. »Benji lernt Saxophon.«
»Ich kann es gar nicht erwarten, ihn zu hören. Was ist mit Owen?«
»Sie ist noch nicht alt genug für ein Instrument, dafür ist sie aber mein Boogie-Baby. Immer wenn sie Musik hört, tanzt sie mit Spring«, fuhr Jude fort und meinte damit die Mutter seiner Tochter. »Es ist umwerfend, Mom. Das mußt du dir ansehen. Einfach unglaublich!«
Spring war Künstlerin, und Jude lebte seit acht Jahren mit ihr in Greenwich Village. Hammers Söhne waren beide nicht verheiratet. Beide hatten zwei Kinder, die Hammer heiß und innig liebte. Sie liebte jedes einzelne goldblonde Härchen auf ihren hübschen kleinen Köpfen. Darum war es für sie immer ein tiefsitzender, bohrender Schmerz, daß sie so weit entfernt von ihr aufwuchsen und die Großmutter für sie schon fast eine Legende war. Hammer wollte niemand sein, von dem sie eines Tages zwar sprechen würden, den sie aber nie kennengelernt hatten.
»Smith und Fen wollten mitkommen«, sagte Randy und nahm die Hand seiner Mutter. »Es wird alles gut, Mom.« Wieder spürte er den Haß auf seinen Vater.
West wußte nicht, was sie mit ihrem Gefangenen machen sollte. Brazil saß zusammengesunken mit gekreuzten Armen auf seinem Sitz. Seine Haltung drückte Trotz aus und keinen Funken von schlechtem Gewissen. Er mied ihren Blick und starrte durch die Windschutzscheibe. Durch das Licht der Laternen tanzten Insekten und flatterten Fledermäuse, die sie jagten. Weiter drüben schlenderten Fernfahrer in Jeans und spitzen Cowboystiefeln auf ihre mächtigen Schlachtrösser zu. Einen Fuß auf dem Trittbrett, lehnten sie an der Fahrerkabine und zündeten lässig hinter der schützenden Hand ihre Zigaretten an, wie sie es beim Marlboro Man gelernt hatten.
»Haben Sie Ihre Zigaretten bei sich?« fragte Brazil West. Sie sah ihn an, als sei er nicht ganz bei Trost. »Vergessen Sie es.« »Ich möchte eine.«
»Sicher. Sie haben noch nie in Ihrem Leben geraucht, und ich werde nicht der Anlaß sein, daß Sie damit anfangen«, sagte sie, hatte aber selbst Lust auf eine Zigarette.
»Sie können überhaupt nicht wissen, ob ich nicht schon mal Zigaretten oder Pot oder sonstwas geraucht habe.« Er klang eindeutig benebelt. »Sie glauben, Sie wissen soviel. Einen Dreck wissen Sie. Cops mit ihrer dumpfen Engstirnigkeit.«
»Ach ja? Ich dachte Sie wären einer. Oder haben
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