Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hornisse

Die Hornisse

Titel: Die Hornisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
ging eilig davon. Er war verletzt und enttäuscht. Einen Moment lang hatte eine erregte Wärme und wunderbare Nähe zwischen ihnen geherrscht, und im nächsten Augenblick war alles vorüber. Geblieben waren nur noch Mißstimmung und Distanz, und beides paßte nicht zu dem, was geschehen war. Brazil begriff nicht, wie er und West beim Truck Stop einen so besonderen Moment erlebt haben konnten und jetzt miteinander umgingen, als nennten sie sich noch nicht einmal beim Vornamen. Sie hatte ihn benutzt, das war's. Für sie mußte es bedeutungslos und billig gewesen sein. Er war sicher, daß das ihre Taktik war. Sie war älter, erfahren und mächtig, ganz zu schweigen, daß sie gut aussah und einen Körper hatte, der ihm ernsthafte Qualen bereitete. West konnte spielen, mit wem sie wollte.
    Das könnte auch für Blair Mauney III gelten, befürchtete seine Frau. Polly Mauney konnte nicht umhin, sich große Sorgen darüber zu machen, worauf sich ihr Mann morgen einlassen mochte, wenn er mit US Air, Flugnummer 392, nonstop von Asheville nach Charlotte flog. In Asheville bewohnten die Mauneys am Biltmore Forest ein hübsches Haus im Tudorstil. Blair Mauney III stammte aus einer alten, sehr wohlhabenden Familie. Er war gerade aus seinem Club gekommen, wo er nach einem anstrengenden Tennismatch geduscht und sich hatte massieren lassen. Anschließend hatte er noch mit Freunden etwas getrunken. Die Mauneys waren eine Dynastie von Bankern, die von seinem Großvater, Blair Mauney, begründet worden war. Zugleich war er auch einer der Gründungsväter der American Trust Company.
    Unter Blair Mauney jr. dem Vater von Blair Mauney III, und einem der Vizepräsidenten hatte die American Commercial mit der First National of Raleigh fusioniert. Damit war der Grundstein für ein staatsweites Bankensystem gelegt, dem bald weitere Fusionen folgten und schließlich die Gründung der North Carolina National Bank. Diese Entwicklung setzte sich fort, und als dann in den späten achtziger Jahren die S & L, eine Art Zusammenschluß von Bausparkassen, in die Krise geriet, wurden die mit in den Strudel geratenen Banken, die bis dahin noch nicht geschluckt worden waren, zu Schleuderpreisen angeboten. Die NCBS wurde damit landesweit zur viertgrößten Bank und in US Bank umbenannt. Blair Mauney kannte die bemerkenswerte Geschichte seines weithin respektierten Instituts bis ins kleinste Detail. Er kannte die Einkommen des Aufsichtsratsvorsitzenden, des Präsidenten, des stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden, des Geschäftsführers für das Kreditwesen und des CEO.
    Er selber war Senior-Vizepräsident der US Bank von North und South Carolina und hatte in dieser Funktion regelmäßig in Charlotte zu tun. Diese Reisen waren ihm nicht unangenehm, boten sie doch die Gelegenheit, sich möglichst oft fern von Frau und halbwüchsigen Kindern aufzuhalten. Nur seine Kollegen in ihren stolzen Büros wußten von dem Druck, unter dem er stand. Nur Gleichgesinnte wußten von der Angst, die in jedem Bankerherzen lauerte, daß Cahoon, dessen Toleranzgrenze bei Null lag, hart arbeitenden Menschen wie Mauney eines Tages mitteilen würde, sie seien bei der Krone in Ungnade gefallen. Mauney ließ seine Tennistasche in der erst kürzlich umgebauten Küche fallen und holte sich aus dem Kühlschrank das nächste Amstel Light. »Liebling?« rief er und öffnete die Bierflasche.
    »Ja, mein Lieber.« Munter kam sie hereingetrippelt. »Wie war's beim Tennis?«
    »Wir haben gewonnen.«
    »Freut mich für dich!« Sie strahlte.
    »Withers hat sich an die zwanzig Doppelfehler geleistet.« Er nahm einen Schluck. »Außerdem Fußfehler am laufenden Band, aber die haben wir nicht gezählt. Was gab's denn bei euch zu essen?« Er sah Polly, mit der er seit zweiundzwanzig Jahren verheiratet war, nur flüchtig an.
    »Spaghetti Bolognese, Salat und Mehrkornbrot.« Wie von jeher und sicher auch in Zukunft zog sie nach kaltem Schweiß riechende Shorts aus der Tennistasche, dann ein Hemd, Socken und das Suspensorium.
    »Ist noch Pasta übrig?«
    »Jede Menge. Ich richte dir gern einen Teller an, Schatz.«
    »Später vielleicht.« Er machte ein paar Stretchübungen. »Ich werde richtig steif. Könnte das Arthritis sein? Was meinst du?«
    »Ganz bestimmt nicht. Soll ich dich massieren, Liebling?« fragte sie. Während er die Massage über sich ergehen ließ, berichtete sie, was ihr Schönheitschirurg gesagt hatte, als sie ihn nach den Möglichkeiten einer Laserbehandlung der feinen Linien

Weitere Kostenlose Bücher