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Die Hornisse

Die Hornisse

Titel: Die Hornisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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so angefangen, und jetzt trat er in ihre Fußstapfen. Aus allem, was in letzter Zeit über Genetik geschrieben wurde, konnte man durchaus ableiten, daß er möglicherweise die Neigung seiner Mutter zur Selbstzerstörung geerbt hatte. Diese Erkenntnis war für ihn niederschmetternd. Er schämte sich vor West für sein Verhalten, und er war sich sicher, daß sie nur einem betrunkenen Kind seinen Willen gelassen hatte und sich das Geschehene nie wiederholen würde.
    Die Hände unter dem Kopf verschränkt, starrte er in der Dunkelheit still an die Decke. Aus dem Radio kam leise Musik. Durch das Fenster sah er die Spitze des US Bank Corporate Center, die fast den Mond zu berühren schien. Oben auf der Krone blinkte ein rotes Licht. Ihm wurde auf beklemmende Weise bewußt, daß am nächsten Tag zwei Wochen seit dem letzten Schwarze-Witwen-Mord vergangen waren.
    »Großer Gott.« Schweratmend und schweißgebadet setzte er sich. Er schob das Laken zurück und stand auf. Nur mit BoxerShorts bekleidet, ging er auf und ab. In seiner leeren Küche trank er noch einmal Wasser. Sorgenvoll und gedankenverloren lag sein Blick auf dem US Bank-Gebäude. Irgendwo da draußen gab es einen Geschäftsmann, der das nächste Opfer sein würde! Wenn es nur eine Möglichkeit gäbe, das zu verhindern. Wo war der Mörder jetzt? Welche schwarzen Gedanken mochten dem Killer durch den Kopf gehen, wenn er seine Waffe lud und im Straßennetz um Five Points herum auf den nächsten Leihwagen lauerte, der langsam zur Stadt hereingefahren kam?
    Niles folgte West durch das ganze Haus. Sie war sicher, der Kater drehte langsam durch. Bei Siamesen, Abessiniern und anderen überzüchteten, schieläugigen Rassekatzen mit jahrtausendealtem Stammbaum war das keine Seltenheit. Sie konnte keine zwei Schritte machen, ohne daß sich Niles zwischen ihren Beinen hindurchschlängelte, so daß sie zweimal fast gestolpert wäre. Ihr blieb nichts anderes übrig, als ihm einen Tritt zu geben, der ihn quer durch das Zimmer segeln ließ. Niles schrie auf, ließ aber nicht locker und wurde wütend. Noch ein Tritt, dachte er, und du wirst sehen, was du davon hast. Mit einem Sidekick beförderte sie ihn unter das Bett. Zwei zu null für sie.
    Niles' Schwanzspitze zuckte. Er beobachtete sie aus seinem Versteck zwischen Sprungfedern und Parkett und wartete, bis sie Schuhe und Socken ausgezogen hatte. Dann schoß er hervor und biß sie in das weiche Fleisch direkt über der Achillessehne. Daß ihr das weh tat, wußte er, weil er es schon einmal ausprobiert hatte. Sein Frauchen schlug zurück: Zehn Minuten lang scheuchte sie ihn durch das ganze Haus. Er war mächtig auf der Hut, denn er sah die Mordlust in ihrem Blick. Schließlich zog er sich wieder unter das Bett zurück und blieb dort, bis West müde wurde und schlafen ging. Dann schlich sich Niles wieder in die Küche und rollte sich auf der Fensterbank zusammen, wo sein freundlicher und gütiger König in einsamen dunklen Nächten über ihn wachte.
    Als der Tag anbrach, regnete es. Das aufdringlich laute Summen des Weckers riß West aus dem Schlaf. Sie brummte und blieb liegen. Als sie die schweren Tropfen auf das Dach trommeln hörte, verging ihr vollends die Lust aufzustehen. Das war genau das richtige Wetter zum Schlafen. Warum sollte sie auch aufstehen? Die Erinnerung an Brazil und seinen gestrandeten BMW und an Niles' unerhörtes Verhalten am Abend zuvor deprimierte und erregte sie zugleich. Was sollte das alles für einen Sinn ergeben? Sie zog die Decke bis zum Kinn hoch. Verwirrende Bilder zogen vor ihrem inneren Auge auf. Sie rührten wohl von den Träumen der letzten Nacht. Wenn sie ganz ruhig dalag, spürte sie Brazils Hände und Lippen fast körperlich. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Sie blieb noch eine ganze Weile im Bett liegen.
    Niles hatte also noch freie Bahn im Haus, und er schlich in den Waschkeller. Ihn interessierte der große weiße Kasten mit der nassen Wäsche. Auf der Abdeckung lagen ein paar Münzen und zusammengefaltete Geldscheine. Er sprang hinauf und hatte plötzlich eine neue Idee, wie er seinem Frauchen König Usbeecees Nachricht übermitteln konnte. Zufrieden stellte er fest, daß sie durchaus etwas gegen die Gefahr tun konnte, die dem König drohte. Sie konnte etwas unternehmen. Sie mußte sich nur in ihrer imponierenden Uniform mit all dem Leder, dem Lametta auf der Brust und den gefährlichen Spielsachen am Gürtel mit aufheulendem Motor auf den Weg machen. Das war es. Niles wußte

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