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Die Hornisse

Die Hornisse

Titel: Die Hornisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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in ihrem Gesicht und einer Speziallaserung des braunen Flecks auf ihrem Kinn gefragt hatte. Zu Pollys Entsetzen habe der Arzt ihr klargemacht, daß keine Lichtbündel der Welt das Skalpell ersetzen könnten. So schlecht stehe es also inzwischen mit ihr, habe sie sich beschwert. »Mrs. Mauney«, hatte der Plastische Chirurg gesagt, »ich fürchte, Sie werden mit dem Ergebnis einer Laserbehandlung nicht zufrieden sein. Die Falten, die Sie am meisten stören, sind schon zu tief.« Ganz sanft hatte er sie in ihrem Gesicht nachgezogen. Sie hatte sich wunderbar entspannt, gebannt von der zärtlichen Berührung seiner Hände. Mrs. Mauney war süchtig nach Besuchen bei diesem Arzt. Sie mochte es, wenn man sie berührte, sie ansah, sie untersuchte, sie liebte die Nachuntersuchungen nach einem chirurgischen Eingriff oder nach Änderungen einer Medikation. »Nun«, hatte sie ihrem Schönheitschirurgen geantwortet, »wenn Sie mir dazu raten. Ich nehme an, Sie sprechen von einem Facelifting.«
    »Ja, und einem Lifting der Augenlider.« Er hatte es ihr im Spiegel demonstriert.
    Das Gewebe ihrer Oberlider war erschlafft, das der Unterlider angeschwollen. Das war irreversibel. Kein kalter Wasserguß, keine Gurkenauflagen, keine Reduzierung von Alkohol oder Salz würde zu einer sichtbaren Verbesserung führen. Das wußte sie bereits. »Und was ist mit meiner Brust?«, hatte sie anschließend gefragt. Der Chirurg war einen Schritt zurückgetreten, um sie in Augenschein zu nehmen. »Was meint denn Ihr Mann?« hatte er gefragt. »Ich glaube, er hätte sie gern etwas größer.«
    Der Arzt hatte gelacht. Hatte sie damit nicht bestätigt, was ohnehin jeder wußte? Jeder Mann, der nicht gerade schwul oder pädophil war, wollte sie größer. Das galt auch für die andere Seite. Auch seine lesbischen Patientinnen suchten das bei ihren Partnerinnen. Sie nahmen es nur nicht so schwer oder gaben das zumindest vor, wenn die geliebte Person nicht soviel vorzuweisen hatte. »Wir können das aber nicht alles auf einmal in Angriff nehmen«, hatte der Schönheitschirurg eingewandt. »Bei Implantaten und Facelifting handelt es sich um sehr unterschiedliche Gebiete der plastischen Chirurgie, und wir müssen die Eingriffe trennen, um Ihnen genügend Zeit für den Heilungsprozeß zu lassen.«
    »Wie groß muß der Zeitabstand denn sein?« hatte sie besorgt gefragt.

Kapitel 23
    Erst als West schon zu Hause war und die Tür für die Nacht fest verschlossen hatte, fiel ihr ein, daß sie ihren Wecker stellen mußte. Zu den wenigen Luxusdingen, die sie sich gönnte, gehörte es, daß sie sonntags erst dann aufstand, wenn ihr oder Niles danach war. Dann bereitete sie sich in aller Ruhe ihren Kaffee, las die Zeitung und dachte an ihre Eltern, die sich um diese Zeit immer auf den Weg zur Dover Baptist Church nicht weit von der Chevon-Tankstelle machten. Auch Paulines Schönheitssalon lag in der Nähe. Dort ließ sich ihre Mutter jeden Samstagmorgen um zehn Uhr die Haare frisieren. Am Sonntagabend rief West dann immer ihre Eltern an, normalerweise, wenn sie sich zum Abendessen hinsetzten und sich wünschten, Wests Platz wäre nicht leer.
    »Großartig«, murmelte sie und nahm sich ein Bier, während Niles auf der Fensterbank über der Spüle saß. »Ich muß also um halb neun aufstehen. Kannst du dir das vorstellen?« West versuchte zu erraten, was Niles da draußen sah. Von diesem Teil von Dilworth aus erinnerte nichts an die Stadt, die von Deputy Chief Virgina West beschützt wurde, wären da nicht die oberen dreißig Stockwerke des US Bank-Hochhauses gewesen, die jenseits ihres unfertigen Gartenzauns hellerleuchtet in den Himmel ragten. In letzter Zeit war Niles wirklich seltsam geworden. Jeden Abend saß er an derselben Stelle und schaute aus dem Fenster. Wie der heimwehkranke ET.
    »Was siehst du da draußen?« Sie fuhr mit den Fingernägeln durch Niles' seidiges, rötliches Fell die Wirbelsäule entlang, eine Liebkosung, die er sonst stets mit wohligem Schnurren beantwortete.
    Er reagierte nicht. Wie in Trance starrte er aus dem Fenster.
    »Niles?« Langsam war West ein bißchen beunruhigt. »Was ist los, Liebling? Geht es dir nicht gut? Ist es ein Fellknödel? Bist du mir wieder böse? Das muß es wohl sein, oder?« Sie seufzte und trank einen Schluck. »Bitte, hab doch ein bißchen mehr Verständnis, Niles. Ich arbeite hart, und ich tue mein möglichstes, um dir ein sicheres und schönes Heim zu bieten. Du weißt doch, daß ich dich liebe, nicht wahr?

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