Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hornisse

Die Hornisse

Titel: Die Hornisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
Schießplatz die Umschulung von .38er Specials auf halbautomatische Pistolen übte. Sie kannte die Geschichten. Von Typen, die wild in der Gegend herumballerten oder teure Munition in ihre Hosentaschen wandern ließen. Hammer hatte West im letzten Jahr angeboten, sie nach Quantico zu schicken. Aber West hatte abgewunken. Es gab nichts mehr, was sie vom FBI lernen konnte.
    »Wir brauchen ein Täterprofil. Es würde mich interessieren, was die Profiler vom FBI dazu zu sagen haben«, sagte West.
    »Vergessen Sie es«, antwortete Brewster, kaute an einem Zahnstocher und schob sich einen Vick-Tascheninhalator in die Nase. Dr. Odom griff nach einem großen Schwamm und drückte ihn über den Organen aus. Dann nahm er einen Schlauch und saugte das Blut aus dem offenen Brustkorb ab.
    »Riecht, als hätte er etwas getrunken«, sagte Brewster. Dabei roch er nur noch Menthol, was ihn an die Erkältungen seiner Kindheit erinnerte.
    »Vielleicht im Flugzeug«, stimmte Odom zu. »Was sagen denn die Leute aus Quantico?« Er sah Brewster an, als ob nicht West dieses Thema gerade angeschnitten hätte.
    »Viel zu beschäftigt«, gab Brewster zurück. »Ich sagte doch, vergessen Sie's. Was haben die schon zu bieten? Zehn oder elf Profiler, die mit tausend Fällen im Rückstand sind? Glauben Sie etwa, daß die Regierung ihr Geld für irgendwelchen Mist zum Fenster rauswirft? Scheiße, nein! Und ziemlich blöd dazu. Denn diese Profiler machen verdammt gute Arbeit.«
    Brewster hatte sich einmal beim FBI beworben, aber auch das hatte natürlich nicht geklappt. Man hatte ihn nicht angenommen, was vielleicht daran lag, daß er sich keinem Lügendetektortest unterziehen wollte. Er schnüffelte wieder an seinem Vick. Gott, wie er den Tod haßte. Eine häßliche und stinkende Angelegenheit. Und geschwätzig. Man mußte sich doch nur den Schwanz von diesem Kerl ansehen. Der Bursche sah aus wie ein Luftballon mit diesem kleinen Knoten dran. Offensichtlich war noch nicht alle Luft raus. West war gereizt. Versteinert starrte sie auf den nackten, von der Kehle bis zum Nabel geöffneten Körper und auf das Zeichen in grellem Orange, das sich auch durch noch so heftiges Schrubben nicht würde entfernen lassen. Sie dachte an seine Frau, seine Familie. Kein Mensch sollte an einem derart düsteren Ort einem solchen Anblick ausgesetzt werden. Und wieder kochte Wut auf Brazil in ihr hoch.
    Sie wartete auf ihn, als er aus dem Knight-Ridder-Building kam, Notizblock in der Hand und zu seinem Wagen trabte, um Jagd auf eine neue Story zu machen. West trug auch heute Uniform. Sie stieg aus ihrem Zivilfahrzeug, einem Ford, und schritt streitlustig auf Brazil zu. Zu gern hätte sie den Geruch des Todes auf eine Flasche gezogen und ihn Brazil jetzt ins Gesicht gesprüht. Zu gern hätte sie Brazil hautnah mit der Realität konfrontiert, mit der sie täglich zu tun hatte. Brazil hatte einiges vor und war in Eile. Laut Polizeifunk war auf dem Parkplatz der Psychiatrischen Klinik ein Honda in Brand geraten. Wahrscheinlich hatte das ja keine Bedeutung, aber wenn nun im Wagen jemand gesessen hatte? Brazil blieb erschrocken stehen, als West ihm ihren Zeigefinger ins Brustbein bohrte. »He!« Er griff nach ihrem Handgelenk.
    »Na, wie geht's dem Schwarze-Witwen-Reporter denn heute?« fragte West kalt. »Ich komme gerade aus dem Leichenschauhaus, falls es Sie interessiert. Dort liegt nämlich die Wirklichkeit und wird seziert. Ich wette, Sie sind noch nie da gewesen. Vielleicht läßt man Sie ja irgendwann mal zuschauen. Wär doch eine tolle Story, nicht wahr? Ein Mann, noch nicht so alt, daß er Ihr Vater sein könnte. Rotes Haar, neunundachtzig Kilo. Was der wohl für Hobbys gehabt haben mag?«
    Brazil ließ Wests Arm los. Er suchte fieberhaft nach Worten, aber ihm fiel nichts ein.
    »Backgammon, Fotografieren. Er redigierte das Mitteilungsblatt für seine Gemeinde. Seine Frau liegt mit Krebs im Sterben. Sie haben zwei Kinder, eines davon schon erwachsen, das andere gerade im ersten Collegejahr. Wollen Sie sonst noch was über ihn wissen? Oder ist Mr. Parsons nichts weiter als eine Story für Sie? Einfach nur Worte auf dem Papier?«
    Brazil war sichtlich mitgenommen. Er wollte zu seinem alten BMW. Ob der Honda auf dem Parkplatz der Psychiatrie nun brannte oder nicht, war plötzlich bedeutungslos geworden. Aber so leicht wollte West ihn nicht davonkommen lassen. Sie hielt ihn am Arm fest. »Nehmen Sie Ihre verdammten Hände von mir«, sagte Brazil. Mit einer heftigen

Weitere Kostenlose Bücher