Die Hosen Des Herrn Von Bredow
Kurfürstin nicht aus den Augen, wie sie oben auf der Treppe stand, und ängstlich ihrem heimkehrenden Herrn entgegen sah, und die Kurfürstin sah gerade aus, wie ihre Tochter Eva.
Sie faltete ihre Hände: »Ach Jungfrau Maria, bewahre mich vor der Sünde.« Die Käuzchen, die beim Scheuern hinausgejagt waren, heulten vor dem Fenster. Da kam ein neuer Gedanke, der ihr Angstschweiß entlockte: Ach, der arme Herr von Lindenberg! Vom Gefolge des Fürsten hatte sie endlich von der Geschichte gehört, wenigstens den notdürftigsten Zusammenhang und das schreckliche Ende. Damals hatte sie keine Zeit, darüber zu denken, sie hatte sich's aufgespart, bis sie allein wäre. So ein lieber, guter, feiner Herr, und ihr Verwandter, und so schrecklich zu enden! Sie sah die Raben flattern, sie hörte sie krächzen; sie schloß die Augen, und steckte den Kopf unter die Decke. Aber eigentlich taugte er auch nicht viel; er hatte eine glatte Zunge und glatte Haut, aber kein Herz für Freundschaft. Hatte er sich um sie gekümmert, bis Wind und Wetter nach langen Jahren ihn in ihr Haus verschlugen? Und da war er's ja, der die Geschichte angezettelt. Wie Vieles wurde ihr da mit einem Male klar. Ihre Ziehkinder wollte er verführen, ihren Götz hatte er in's Unglück gebracht; er allein. O, er war ein grundschlechter Mann, vom Teufel besessen. Sie hatte es ihm auch schon angesehen, als er, noch ein schöner, junger Herr, um alle Fräulein scharwenzelte. O, er verdiente nein ein so schreckliches Ende gönnte ihm die gute Frau doch nicht. Hätte er nur Gottesfurcht gehabt, und dann das Hofleben! Ihr Hans Jochem hatte auch gar zu gern an den Hof gewollt. Den hatte Gott dafür gestraft, und wie gnädig! Nun war die Gottesfurcht mit dem zerbrochenen Beine ihm mit einem Male aufgegangen. Und die arme Agnes! Nun, die wird für sie Alle im Kloster beten. Das Kloster war arm. Ob ihr wohl das viele Fischessen bekommen würde? Daß das zur Gottesfurcht gehöre, konnte sich Frau von Bredow nicht denken. Die Aebtissin war keine strenge Frau, man könnte ja dem Kinde dann und wann was Eingesalzenes schicken. Und der Dechant wollte ja der heiligen Agnes einen Altar stiften. Sie hatte das Sündengeld zwar zurückgewiesen, aber ob es denn nun nicht besser sei, schlechtes Geld zu einem guten Zwecke zu nehmen, als daß er's zu schlechten Zwecken durchbringe? Das Geld konnte ja nichts dafür, daß der Dechant es dem Lindenberg abgenommen. Sie kam zu einem Vergleich zwischen ihrem Gewissen und ihren Wünschen. Wenn von dem Lindenberg'schen Gelde ein Altar der heiligen Agnes gestiftet würde, so sollten vor demselben täglich drei Seelenmessen für den todten Herrn von Lindenberg gelesen werden.
So legten sich die Stürme, so verglichen sich die widerstrebenden Gedanken, und nur der an Hans Jürgen quälte sie noch, als ihre Augenlider sich immer fester schlossen, ihre Brust immer ruhiger athmete. Was sollte aus dem Jungen werden? Seinen Trotz konnte ihm der Fürst nimmermehr hingehen lassen. – Er wird wohl noch ein kläglich Ende nehmen! –
Der Fürst wälzte sich und röchelte. Der Bernsteindampf erstickte ihn. Vergebens rief sie, er möge nicht sorgen, der Zug durch Schlott und Treppen werde die böse Luft forttreiben. Eine unsichtbare Gewalt hielt sie fest und schnürte ihre Kehle. Sancta Katharina, er erstickt in unserm Haus, und uns schelten sie Mörder. Der Fürst war nicht erstickt, er war aufgesprungen, die Thür hatte er aufgerissen und fand seinen Wächter schlafend. O der freche Bube, er widersetzte sich, er schlug auf seinen Fürsten. »Hans Jürgen! Hans Jürgen!« Noch versagte ihr die Stimme. Aber jetzt sprang das Band: »Gnade, Barmherzigkeit! Mein armer Hans Jürgen! – Ach am Galgen!«
»Hans Jürgen!« schrie eine andere Stimme, aber nicht mit der durchdringenden Ängstlichkeit. Hell und froh rief sie: »Hans Jürgen, so fange doch!«
Da saßen Mutter und Tochter aufgerichtet im Bette und sahen sich verwundert in's Gesicht beim Schein der Lampe, die Eva auszulöschen vergessen. Sie hatten beide geträumt, beide von derselben Person, und beide doch wie anders! »Ach der arme Junge, und der war dir so gut,« sprach die Mutter. Eva rief: »Das ist er, aber es war wohl ein Traum! Er spielte mit dem Kurfürsten Fangen, und sie warfen sich rothbackige Aepfel zu.« – »Ihm wird's schlimm gehn,« sagte die Mutter. »Nein, gut«, erwiederte Eva. Beide stritten in Güte und hatten doch keine Gründe, bis sie Beide lachen mußten. Und dann
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