Die Hosen Des Herrn Von Bredow
braucht er für mich zu denken, kann ich doch selbst denken! Du wüßtest es am Ende besser, was Dir noth thäte. Nicht wahr, das sprach er? Sprach er nicht auch von alten Rechten, Freiheiten? Was! sein Ahnherr riß er nicht die Siegel von Euren Privilegien? Den Blutbann nahm er Euch. Die Bierziese ist zu arg, der Voigt zu streng, der Schoß zu hoch. – Ich höre Alles, was er Euch zuflüstert. Fordert nur! ruft er. Ja fordert nur, der mit dem Pferdefuß notirt hohnlachend jedes Eurer Worte, und giebt Euch keines zurück, aber sein Rachen öffnet sich, ich sehe die Gluth, die heraussprüht. – Berlin, Berlin! o daß die Todtenglocke nicht auch zu Deiner Sterbestunde ruft! Ihr weich geschaffenen Seelen, Ihr zarten Frauen, die Gottes Stimme hören, auch wenn sie sanft rauscht, wie der Abendwind, Ihr rettet Euch, wagt es auch für Eure Gatten, Söhne, Brüder; wahret sie vor dem Versucher, zieht sie zurück: Widerstand gegen die Obrigkeit, die Gott einsetzte, ist Empörung gegen Gott. Das ruft ihnen zu. Blutige Kreuze hat es schon geregnet, wenn es wieder regnet, regnet es Feuer, das Euch verschlingt.
Domine salvum fac regem!
«
Solches Zähneklappern und Schluchzen ist nie gewesen in der Nicolaikirche zu Berlin.
»Das war eine Predigt, das ist ein Prediger!« sagte die Frau Bürgermeisterin auf dem Heimwege, und die Rathsmännin erwiederte: »Der hat's ihnen mal gegeben, der versteht's.« – »Diese gottlosen Menschen,« schluchzte die Bürgermeisterin. »Der Musculus predigt auch zum Herzen,« sagte die Rathsmännin, »aber –« »aber immer von den Pluderhosen,« fiel die Bürgermeisterin ein. »Das soll eigentlich unanständig sein, hat man mir gesagt.« – »Gewiß, Frau Bürgermeisterin, man muß doch Respekt vor der Obrigkeit haben. Mein Mann hat sich jetzt nach dem neuen Schnitt welche bestellt. An so was sollte doch ein Prediger denken.« – »Ach was sind alle Hosen gegen den Feuerregen! Es drang Einem durch Mark und Bein, als ob die Funken schon gegen die Fensterscheiben knatterten. Solchen Prediger müssen wir haben.« – »Den müssen wir haben, wenn der alte Probst stirbt,« stimmten beide ein, und leiser setzte die Frau Bürgermeisterin hinzu: »ich will schon mit meinem Manne sprechen.«
Der Bürgermeister und der erste Rathmann gingen hinter ihren Gattinnen mit gesenkten Köpfen.
»Den werden wir nicht wieder los,« sagte der Rathmann. »Die Weiber lassen uns keine Ruh.«
Der Bürgermeister stieß einen leisen Seufzer aus: »Nun ist's entschieden. Mit dem Adel ist's aus. Wenn der Dechant von Altenbrandenburg so zu sprechen wagt, hat die Ritterschaft auf dem letzten Loche gepfiffen. Bin nicht ihr sonderlicher Freund, aber sie gehören doch auch zu uns. Es hätte besser sein können.«
Der Dechant selbst aber sonnte sich nach der Predigt, im Polsterstuhl ausgestreckt, an den Nachwonnen ihres Eindrucks, und hatte eben so wenig eine Bewegung gemacht, aufzustehen, da der Junker Peter Melchior eintrat, als er jetzt, nachdem er gesprochen, ihm ein Zeichen freundlicher Theilnahme gab. Vielmehr hatte er das Ansehen eines Richters, vor dem ein armer Sünder etwa ein Privatbekenntniß ablegte, und statt Trost ihm einzureden, weist der Mann des Gesetzes ihn noch herb zurück.
»Das sollte ich Euch gesagt haben, Herr Junker von Krauchwitz! Und das wagt Ihr noch auszusprechen, nachdem Ihr vorgebt, eben aus meiner Predigt zu kommen!«
»Ihr müßt Euch doch entsinnen,« sagte der Junker, »als Wedigo mir den Antrag that, und ich zu Euch ritt nach Brandenburg und in Eurer Klause Euch die Sache vortrug, und um Euren Rath bat, ob Ihr's gerathen hieltet oder nicht, und Ihr den Kopf schütteltet und meintet: es sei eine kitzliche Sache, man wisse nicht, wohin sie ausschlagen möchte, und endlich sagtet Ihr: Zögert mit Eurem Ja und Nein. Ja blickt mich nur verwundert an, so sagtet Ihr zu mir und drücktet mir die Hand, und grade da trat der Chorherr ein, es war der Sydow. Er hat es noch gehört.«
Der Dechant strich mit der Hand über das Gesicht: »Der Sydow hat es gehört. Das ist etwas anderes, lieber Junker. Davon also redet Ihr. Der Sydow, richtig! Nun das ist ein guter Mann. Wenn man ihn nicht fragt, redet er nicht. Setzt Euch doch, Herr von Krauchwitz. Ueber die Tücken Satans, der so oft in unsere Worte einen andern Sinn legt, nämlich daß die Andern etwas anderes verstehen, als wir meinten, können wachsame Christen nicht ernstlich genug sich gegenseitig verständigen. Worte, wie gesagt, hört
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