Die Hosen Des Herrn Von Bredow
der Menschen nur nachspricht, was Andere ihnen vorsagen? Worauf wäre das Regiment der Kirche begründet, als daß sie bei guter Zeit die Vormundschaft über die Unmündigen übernahm? Diese Zeit möchte ihrem Ende sich nähern, da mancher Laie mündig wird. Es thäte daher gut, wenn die Kirche bei Zeiten vernünftig theilte, was sie nicht allein besitzen kann.«
»Herr von Lindenberg, wir verstehen uns, aber die Aufgabe –«
»Ist nicht so schwer, als sie aussieht. Kann Götz ein künstlich gewebtes, verschlungenes Redenetz rasch durchschauen? Nein! Kann er, darin gefangen, sich loshaspeln? Vielleicht, wenn er wieder geschlafen hat und erwacht ist, und noch einmal geschlafen hat. Das mag er; wir haben, was wir wollten. Auf dem Landtage hat er immer Nein gesagt; aber der Landtagsmarschall wußte ihn so zu verstricken in seinen Reden, daß er immer glaubte, Ja gesagt zu haben, und als er aufwachte, stand es zu Papier und sein Name darunter. Ich sage Euch da nur sehr was Alltägliches, was auf jedem Landtag vorkommt, aber wollt Ihr minder klug sein als unser Landtagsmarschall?«
Der Ritter legte seine Hand auf des Dechanten Schulter und sah ihn mit durchdringender Freundlichkeit an.
»Es wäre – aber – sein Weib –«
»Wir haben es nur mit ihm zu thun. Sie ist in Hohen-Ziatz. Man hat Einlagerung nachgeschickt, damit nichts verschleppt wird.«
»Versuchen will ich es,« sprach der Dechant mit gedämpfter Stimme, »in Anbetracht, daß das allgemeine Wohl –«
»Um Gottes Willen laßt das aus Eurem Gebet. Fliegt jetzt nach dem Mühlenhof. Der Vogt von Hoym wird Euch ohne Zaudern einlassen; Geistliche finden bei uns nirgend verschlossene Thüren. Der Hofprediger Musculus ist, wie ich höre, schon bei ihm. Sprecht wie Cicero, wie Sanct Johannes, singt wie Orpheus, aber in einer Stunde muß es geschehen sein.«
Der Dechant ging. An der Thür faßte der Ritter noch einmal seine Hand:
»Der Bischof Scultetus wird alt. Mir hat es nie gefallen, daß ein Bauernsohn, eines schlesischen Schulzen Enkel, den Bischofssitz von Brandenburg einnehmen durfte. Wenn ich dann noch in der Nähe des Kurfürsten bin, so seid dessen gewiß, daß nur ein Kurmärkischer von Adel zu dieser erhabenen Würde gewählt wird. – Herr von Krummensee, rechnet dann auf mich.« Er drückte ihm die Hand.
Es wäre ihm gut gewesen, wenn der Dechant fliegen können, denn das Gedränge auf der Straße war groß, es war aber doch vielleicht besser, daß er nicht flog, sondern nur mit großer Anstrengung sich durch die Volkshaufen und Marktleute den Weg bahnte. Inzwischen hatte ihm ein Anderer auf unerwartete Weise bei dem Gefangenen den Weg in ganz anderer Weise gebahnt.
Der Hof-Caplan Andreas Musculus, ein junger Priester, war auf Anlaß einer alten Frau von Bredow, die in Berlin lebte, zu ihrem gefangenen Verwandten gegangen, um ihm Trost einzusprechen oder seine Beichte abzunehmen. Sie hatten Vieles und lange mit einander gesprochen, und Musculus den gedrückten Mann noch durch keine zornschnaubenden Verwünschungen und Blicke auf seine Sündhaftigkeit niedergeschmettert, wie wohl der Priester Art ist. Vielmehr hatte er so aufmerksam ihm zugehört, wie ein Arzt, der einen Kranken, dessen Zustand ihm noch zweifelhaft erscheint, ganz aushören will, um alle Symptome zu erfahren, bis er sein Urtheil spricht.
»Es muß mit dem Satan zugehen«, schloß der Gefangene, »ich kann mir's gar nicht anders denken. Bin mir doch keines Fehls und keiner Sünde bewußt. Die drei Wochen, daß wir Stände beim Landtage saßen, lieber Gott, da haben wir doch Alle nichts gethan, das weiß jedes Kind. Ihr nickt dazu. Dann kam der Festschmauß, da tranken wir auf des Kurfürsten Wohl und des ganzen kurfürstlichen Hauses, so lange wir stehen konnten, das ist doch keine Sünde! Wie's unterwegs war, das weiß ich nicht. Dann kamen wir in Hohen-Ziatz an, das weiß ich noch. Sie brachten mich zu Bett, das wird Sonntag vor acht Tagen gewesen sein. Freilich, da konnte ich nicht zur Kirche. Wäre das etwa? – Ihr schüttelt den Kopf. Und von da ab hab' ich denn doch geschlafen, eigentlich bis ich wieder nach Berlin geholt wurde. Da fällt mir etwas ein. Meine Frau, die Brigitte, 's ist ein gutes Weib, aber sie sagen, daß sie ein bischen freigeistisch wäre, ich verstehe das nicht. Wär's das etwa?«
Der Prediger schüttelte den Kopf: »Danach verlangt itzo Satan nicht. Strengt Euer Gedächtniß, lieber Ritter, vielmehr anderswo an. Habt Ihr immer
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