Die Hosen Des Herrn Von Bredow
so wohl und wonnig als in diesem Wust. Gottes Abbild, den schön geformten Menschen, hat er zu einer Vogelscheuche umgebildet, das ist sein Gaudium. O wär' es das allein, dann scheute doch wenigstens die unvernünftige Creatur davor, aber es ist wie eine Lockspeise für sie; je weiter gepufft, je greller gefärbt der Popanz ist, um so größer die Verführung. Was sind alle Irrwische gegen diese Lasterbeutel, was war die Pfeife des Rattenfängers von Hameln gegen diese umwandelnden pausbackigen Ungeheuer der Hoffahrt, danach die Fante laufen, um hineinzustürzen, voll Freude, voll Wahnsinn, voll Gierigkeit, einer den andern zu überbieten. Nicht mit einem Paar zufrieden, läßt er sich zwei machen. Nur hineingeworfen, Geld, Renten, Grundstücke, ein ganzes Vermögen, was will der zeitliche Ruin eines Menschen sagen gegen seinen ewigen. Christi heiliger Rock in Trier ist ungenäht, ein Stück; darum hat der Teufel dieses Stück aus hundert Mal hundert Stücken Tuches gefertigt, und tausend Mal tausend Nadelstiche reichen nicht aus, so viel Stiche als die Nattern im höllischen Feuer dem unglückseligen Versessenen drunten versetzen werden.«
Der Gefangene nahm den Augenblick wahr, wo der Redner Athem schöpfte, um, was er schon längst vergebens versucht, ihm in die Rede zu fallen und sich auch hören zu lassen. Er hätte dieselbe Wahrnehmung wie der andere machen können, daß, wenn Jemand von einem Dinge erfüllt ist, er im Eifer drüber nur sich sieht und hört, und was der andere vorbringt nur hinnimmt, weil es nun einmal nicht anders geht. So viel der ehrenwerthe Gottfried nun auch reden mochte, von der guten, alten Sitte, lederne Hosen zu tragen, die sich an den Leib fügten, wie Gott ihn geschaffen, die das Blut kühlten, den Sonnenbrand abhielten, als von der Natur selbst dem Edelmann zugewiesen, das nahm der Zuhörer hin, wie das Kind die bittere Arzenei, um nachher das Stück Zucker zu schnappen. Aber erst da, als Herr Gottfried gegen die Tuchkleider sich aussprach, daß von Natur Haut auf Haut und nicht Schafwolle auf Menschenhaut gehöre, daß die Gewänder aus Tuchen eine Erfindung wären, von der Habsucht und Schlauheit der reichen Bürgerherren gemacht, um den Adel sich unterwürfig zu machen, erst da erwachte des Doctors Aufmerksamkeit, und er schnappte auf den Augenblick, dem Redner in's Wort zu fallen.
»Das Futter, die Steppnähte, das schlampichte, weiche Zeug –«
»Das ist's, das ist der Anfang,« fiel Musculus ihm in's Wort und ließ es sich nun nicht wieder nehmen. Hatte er doch seine Geschichte von der Entstehung der Pluderhosen diesmal noch nicht an den Mann gebracht. – »Der Vater war ein wohlbeleibter Mann. Ihm paßten sie so grade. Er stirbt, sein Sohn ist dünn, ihm schlumpen sie um die Beine, aber das Tuch ist schön und fein, es dünkt ihm schade, er will nichts ausschneiden, da läßt er mehr Falten einnähen. Die Falten warfen sich schlecht; er läßt sie aufschlitzen mit buntem Tand füttern. Nun ist's ein Prachtkleid. Hans hat es; Peter ist so reich als Hans, soll er's nicht auch haben! Und Christian ist noch reicher; der thut zehn Ellen hinzu. Das sind des Teufels Wege auf Erden. Nun will's Jeder dem andern zuvorthun. Die Reichen, laßt sie verderben, steht's doch geschrieben: kein Reicher kommt in's Himmelreich. Aber auch die Armen wollen reich scheinen. Da darben sie und borgen. Immerzu, der Höllenrachen ist weit. Die Vernünftigen möchten es nicht, aber wo die Thorheit herrscht, muß der Kluge den Thoren spielen, damit man ihn nicht einen Narren schilt. So mein theurer Ritter, sind wir in das Irrsal hinein, in den bunten infernalischen Mummenschanz des Beelzebub, da ist kein Herauskommen mehr: als wie in dem Venusberge, wirbeln Grafen und Fürsten, Könige und Kaiser; es fehlte nur noch, daß auch der Kirche Diener in Pluderhosen an seinen Altar träte. Die Menschen, wenn es so fortgeht, werden gar nicht mehr allein diese Hosen tragen und schleppen können; wie Schleppen der Kaiser und Kaiserinnen, werden Pagen und Knechte hinter Jedem hergehen müssen, daß er seine Sünde und seinen Wust fortschleppe. Aber – ich habe einen Trost –«
Er schöpfte Athem, der Gefangene wollte ihn auch benutzen: »Herr Hofprediger! Gerechtigkeit muß doch auf Gottes Erdboden sein. Wenn der Kurfürst –«
»Ja, wenn der Kurfürst auf mich hören wollte,« fiel der Prediger ein, der indeß den Athem geschöpft hatte. »Aber er hört nicht, er lächelt, wenn ich im heiligen Eifer
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