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Die Hudson Saga 01 - Haus der Schatten

Die Hudson Saga 01 - Haus der Schatten

Titel: Die Hudson Saga 01 - Haus der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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sollte.

    Ich sah Corbette am nächsten Tag erst bei der Probe. Trotz unseres Rendezvous am Samstag verhielt er sich mir gegenüber nicht anders als sonst. Niemand hätte vermutet, dass wir uns geküsst hatten und intim miteinander gewesen waren. Was auch immer er erhofft hatte, wollte er geheim halten. Er hatte jedoch ein spitzbübisches Lächeln auf dem Gesicht, als wir spielten, und das ärgerte mich. Mr Bufurd unterbrach uns ständig und sagte mir, ich sollte versuchen, sanfter zu sein, aufgeschlossener gegenüber dem Leben. Die anderen Mädchen grinsten breit und lachten. Ich konnte fast hören, wie sie tuschelten: »Kann sie denn sanfter sein? Wie kann so ein Mädchen denn überhaupt lieb und unschuldig sein?«
    »Du hattest doch bis jetzt keine Schwierigkeiten damit, Rain. Konzentriere dich, entspann dich, hol tief Luft und versuch es noch einmal«, drängte Mr Bufurd.
    Ich schaute beiseite, schluckte meine Tränen herunter, hielt die Luft an und wandte mich wieder Corbette zu, um meinen Text zu sprechen. Ich versuchte an ihm vorbeizuschauen, nicht an ihn als Corbette Adams zu denken, sondern als den Charakter im Stück, als George Gibbs, der genauso freundlich und unschuldig war, wie ich sein sollte. Schließlich funktionierte es gut genug, um Mr Bufurd zufrieden zu stellen.
    »Das ist es. Das ist schon viel besser«, erklärte er.
    Ich war froh, als die Probe zu Ende war; es war die anstrengendste bisher.

    »Ich habe dir doch gesagt, wir sollten mehr üben«, flüsterte Corbette mir ins Ohr. »Ich rufe dich später an.« Er ging hinter seinen Kumpels aus dem Sweet William her. Ich beobachtete, wie er den Gang entlangging, und rief ihn.
    »Was ist los?«, fragte er.
    »Kann ich bitte einen Augenblick mit dir sprechen?«, bat ich. Er grinste seine Freunde an, sagte etwas, worüber sie lachen mussten, und schlenderte dann den Gang entlang auf mich zu.
    Audrey schaute zu mir, drehte sich dann rasch um und eilte hinaus. Corbette und ich waren die Einzigen, die sich noch im Theater befanden.
    »Willst du, dass wir uns heute treffen?«, fragte er rasch.
    »Nein. Ich will wissen, warum du mir diese schreckliche Lüge aufgetischt hast«, sagte ich.
    »Welche schreckliche Lüge?«
    »Über deinen jüngeren Bruder«, sagte ich.
    Er starrte mich an, seine Augen zwinkerten einen Moment lang schnell.
    »Das war keine Lüge«, beharrte er, und zwar mit solcher Aufrichtigkeit, dass ich mich fragte, ob Audrey sich nicht doch irrte.
    »Du sagtest, er sei an einer Blutkrankheit gestorben, als er vier Jahre alt war. Lebt er nicht noch?«
    »Du bist hingegangen und hast Leute danach gefragt?«, fragte er mit schmerzverzerrtem Gesicht.
    »Nein, aber jemand erzählte mir, dass er nicht tot ist, dass er in einem Heim lebt und das Down-Syndrom hat. Ist deine Mutter nicht in dem Wohlfahrtsausschuss, der Geld für Behandlung und Forschung aufbringt?«
    Er schaute den Gang entlang, dann wieder zu mir und
setzte sich mit gesenktem Kopf hin, die Hände zwischen den Knien gefaltet. Er sprach langsam, zum Boden hin.
    »Als mein kleiner Bruder vier war, beschlossen sie, ihn ins Heim zu geben. Sie behandelten ihn, als wäre er gestorben. Wir hatten deswegen einen großen Streit. Ja«, er schaute mich mit wütenden roten Augen an, »meine Mutter ist in diesem Wohlfahrtsausschuss, aber sie engagiert sich auch noch in einer Reihe anderer Wohlfahrtsorganisationen, wie ich dir sagte. Sie tut das, um ihr Gewissen zu beruhigen und die Tatsache zu kaschieren, dass sie es nicht ertragen konnte, wenn Leute ihn bei uns zu Hause sahen, wenn Leute wussten, dass sie ein Kind mit Down-Syndrom hat, und das kommt vom Blut. Es hat mit Chromosomen zu tun, und sie sind im Blut. Wer auch immer sein großes Maul aufreißt, hat überhaupt keine Ahnung.«
    Er senkte wieder den Blick.
    »Vielleicht gab es keine Beerdigung für ihn, aber er ist weg, und das ist keine Lüge«, fügte er hinzu, während er aufstand und ging.
    Ich versuchte, hinter ihm herzurufen, aber die Zunge klebte mir am Gaumen. Ich hatte das Gefühl, an Ort zu Stelle zusammenzuschrumpfen. Eine Taubheit erfasste mich. War ich unfair, unsensibel gewesen? Hatte ich Unrecht, als ich annahm, dass er mich mit voller Absicht hintergangen hatte, weil er mit mir schlafen wollte? Beni beschuldigte mich immer, so viel an mich zu denken, dass mir kein Junge zu nahe kommen konnte. Hatte ich tatsächlich getan, wessen sie mich beschuldigte? War ich so übertrieben darauf bedacht, mich selbst zu schützen, dass

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