Die Hudson Saga 01 - Haus der Schatten
gestohlen hatte?
»Ja?«
Meine Mutter öffnete die Tür und trat ein.
»Ich bin nur rasch hochgekommmen, um mit dir zu reden. Es tut mir Leid, dass ich vorhin unten so schroff war, aber.... was ist zwischen dir und Brody vorgefallen?«
»Nichts«, wehrte ich misstrauisch ab. Allmählich verstand
ich, warum sie sich so seltsam benommen hatte. »Ich habe ihn bestimmt nicht ermutigt, falls du das denkst.«
Sie wirkte erleichtert.
»Natürlich glaube ich das nicht. Es ist nur im Augenblick eine etwas delikate Situation. Bitte, rede ihm aus, zu deiner Aufführung zu kommen, falls er dich anruft«, sagte sie.
»Ich werde es versuchen, aber er scheint ein sehr entschlossener Mensch zu sein.«
Sie lächelte und nickte.
»Du brauchtest nicht lange, um das festzustellen. Auf jeden Fall bin ich froh, dass du so gut mit meiner Mutter zurechtkommst.«
»Victoria ist darüber nicht so froh«, sagte ich.
»Ich weiß.«
»Habt ihr ihr die Wahrheit gesagt?«, fragte ich.
»Nein, noch nicht. Mutter schafft es glänzend, dieses unerfreuliche Ereignis aufzuschieben.«
»Warum ist das denn nötig?«, fragte ich.
»Victoria käme nicht gut damit zurecht«, gab sie zu. »Ich habe es dir ja gesagt. Wir stehen uns nicht so nahe, wie Schwestern es sollten. Ich glaube, ich war sieben Jahre alt, als ich ihr zum letzten Mal ein Geheimnis anvertraute. Sie erzählte es direkt meinem Vater, um mich in Schwierigkeiten zu bringen.
Mach dir keine Sorgen«, fuhr sie fort. »Du machst dich gut hier. Ich bin stolz auf dich.«
Überrascht schaute ich sie an.
»Ich weiß, dass ich es nicht so zeigen kann, wie ich gerne würde, aber ich bin es«, beharrte sie. »Viel Glück bei der Aufführung«, wünschte sie mir. Sie lächelte, ging hinaus und schloss leise die Tür.
Die Einsamkeit verursachte mir ein leeres Gefühl im Magen. Mir tat das Herz weh, aber ich wollte die Tränen nicht an die Oberfläche steigen lassen. Ich schluckte sie hinunter, drückte sie in ihre Quelle hinab und versiegelte sie dicht mit Zorn.
Ich sollte von diesen Leuten nehmen, was ich kriegen konnte, dachte ich. Mama hatte Recht damit. Ich sollte so sein wie Alison, egoistisch und verzogen, und mir die Taschen füllen. Wenn ich genug bekommen hatte, würde ich zu Mama zurücklaufen und wir würden uns kaputtlachen.
Wir alle zusammen würden über die reiche weiße Familie lachen, die an ihren Geheimnissen und Lügen erstickte.
Ich sollte, ich sollte, aber tief im Herzen wusste ich, dass ich nicht so sein konnte wie Alison.
Ich konnte nur ich selbst sein. Ich war wirklich wie Emily Webb, unschuldig und vertrauensselig.
Vielleicht würde ich mich ändern, wenn ich mich Corbette in die Arme warf.
Und vielleicht konnte ich dann in dieser neuen Welt überleben.
KAPITEL 18
Der große Abend
G roßmutter Hudson fand schließlich ein neues Hausmädchen, das sie für qualifiziert hielt, und das geschah auch keinen Moment zu früh, denn die Premiere des Stückes rückte immer näher. Mr Bufurd wollte immer mehr mit Corbette und mir arbeiten und verbrachte manchmal ganze Proben nur mit uns. Auch die Abschlussprüfungen rückten immer näher, und ich musste mehr als genug lernen, weil ich so viel aufzuholen hatte. Ich hatte überlegt, welche Mahlzeiten nicht so viel Vorbereitung erforderten, und kam mit dem Staubputzen und Saubermachen nicht mehr nach. Großmutter Hudson hatte gesehen, wie ich hektisch herumfuhrwerkte, und ihr war klar geworden, wie beschäftigt ich war.
Glücklicherweise machte eine Afroamerikanerin namens Sissy Williams einen ausgezeichneten ersten Eindruck. Sie war groß und stämmig mit einem kleinen Busen und langen Armen. Sie behauptete, einundvierzig zu sein, aber Großmutter Hudson hielt sie eher für fünfzig, wenn nicht sogar fünfundfünfzig.
»Mir ist es egal, wenn sie in Bezug auf ihr Alter lügt«, sagte sie mir, »solange sie die Arbeit verrichten kann, die erledigt werden muss.«
Sissy hatte ein angenehmes Wesen und eine melodische,
glückliche Stimme, aber sie war in Bezug auf die Hausarbeit sehr ernsthaft und effizient, was Großmutter Hudson gefiel. Sie war sehr stolz auf ihre Arbeit, besonders auf ihr Essen. Nur ein Abendessen war nötig, um festzustellen, dass sie eine sehr gute Köchin war, die eine köstliche Süßkartoffelpie zubereiten konnte. Sie stammte aus South Carolina und hatte früher im Restaurant ihres Onkels als Chefköchin gearbeitet. Sie war nie verheiratet gewesen, redete aber von ihren Nichten und Neffen, als
Weitere Kostenlose Bücher