Die Hudson Saga 01 - Haus der Schatten
er.
»Meine Mu... Mrs Randolph erwähnte das nicht«, sagte ich und starrte auf den Reitplatz zurück, während wir weiterfuhren.
»Dort ist der Pferdestall, die Scheune«, zeigte Jake. »Zur Linken befinden sich die Klassenräume. Das Hauptgebäude taucht jetzt vor uns auf.«
»Was ist das andere große Gebäude direkt hinter den Klassenräumen?«
»Das sind die Turnhalle und das Schwimmbad.«
»Schwimmbad? Dort gibt es auch ein Schwimmbad?«
»Hat Ihnen niemand etwas über diese Schule erzählt?«, fragte er verwundert.
»Nein, nur dass es eine Privatschule für Mädchen ist.«
»Ja, das stimmt, und diese Schule jenseits des Sees dort«, sagte er und nickte nach rechts zu einem noch eindrucksvoller wirkenden Gebäude, »ist Sweet William, die Bruderschule, würden Sie es vermutlich nennen, obwohl Sweet William älter ist. Die beiden Schulen veranstalten gemeinsame Tanzveranstaltungen und andere gemeinsame Aktivitäten, und es finden auch Wettbewerbe gegeneinander statt. Dort ist der Sportplatz und da ist die Cafeteria«, fuhr er fort, als wir einbogen und unter einem halbmondförmigen Schild hindurchfuhren, das von zwei runden Pfosten getragen wurde. Auf dem Schild stand »Dogwood-Schule für Mädchen«.
Schule, dachte ich. Das ist eher eine kleine Stadt. Ich hatte das Gefühl, die Augen fielen mir aus dem Kopf. Mein Kopf fuhr wie ein Scheibenwischer hin und her, als ich versuchte,
alles auf einmal in mich aufzunehmen: die schönen Blumen und Bäume, die kleinen Springbrunnen und der See, der Sportplatz und die Tennisplätze, die Kapelle und ein separates Gebäude, das Dogwood Theater hieß.
Jake hielt vor dem Verwaltungsgebäude an. Er stieg aus und öffnete mir rasch die Tür. Ich zögerte. Wenn mir je nach Weglaufen zumute war, dann jetzt.
»Es geht schon alles gut«, sagte Jake, als er die Angst in meinem Gesicht sah. »Gehen Sie einfach zur Tür hinein, und Sie sehen sofort an einem Schreibtisch rechts jemanden, der Ihnen weiterhelfen wird.«
»Woher wissen Sie so viel über diese Schule, Jake?«
Er zwinkerte einen Moment heftig, schaute zu dem Gebäude hoch und sagte: »Ich tue es einfach.«
Ich stieg aus, holte tief Luft und ging auf die Tür zu.
»Viel Glück, Rain«, rief Jake. »Am Ende des Schultages werde ich hier sein, um aufzugabeln, was von Ihnen übrig geblieben ist«, fügte er lachend hinzu.
»Vielen Dank für die Ermutigung«, sagte ich, und er lachte wieder.
Mama, dachte ich, als ich die große Glastür öffnete, du hattest ja keine Ahnung, überhaupt keine Ahnung.
Die Eingangshalle hatte einen dunklen Marmorfußboden; ein großes Wandgemälde erstreckte sich bis zur Decke. Darauf waren Engel abgebildet, die einem himmlischen Licht entgegenstiegen. Rechts saß, genau wie Jake gesagt hatte, eine junge Frau an einem Schreibtisch mit einem Computer. Sie drehte sich um, als ich näher kam.
»Ich heiße Rain Arnold«, sagte ich. »Ich bin hier, um Mrs Whitney zu sprechen.«
Sie musterte mich einen Augenblick, als sei sie die erste
Verteidigungslinie, die entschied, ob ich einen gewaltigen Schritt vorwärts machen durfte. Ihr Blick flog über mein Gesicht, über meine Kleidung, dann wandte sie sich einem Ordner auf ihrem Schreitisch zu.
»Nehmen Sie den mit durch diese Tür«, sagte sie und deutete mit dem Kopf auf die Tür zur Linken, »und gehen sie zur ersten Tür links. Das ist Mrs Whitneys Büro. Ihre Sekretärin heißt Susan Hines.«
»Danke«, sagte ich und nahm den Aktenordner.
Sie wandte sich so schnell wieder ihrem Computer zu, als sei sie ein Teil von ihm, als seien ihre Finger ebenso wie andere Kabel eingestöpselt. Ich ging zur besagten Tür und merkte, wie dabei meine Schuhe auf dem Marmorboden klapperten und von den Wänden der großen Eingangshalle widerhallten. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es hier jemals sauberer gewesen war, nicht einmal am Tag der Eröffnung.
Der Flur war kürzer, als ich gedacht hatte; ich stand sofort vor Mrs Whitneys Büro. Das Vorzimmer war weder besonders groß noch besonders ausgestattet. Susan Hines war eine Frau von etwa dreißig Jahren mit hellbraunem Haar und dunkelbraunen Augen, die ein wenig zu groß für ihr kleines Gesicht, die Stupsnase und die schmalen Lippen waren. Sie sah aus wie jemand, der in ständigem Kampf mit dem Kalorienmonster liegt, üppig und breit in den Schultern, mit einem Doppelkinn, als hätte sie gerade einen kleinen Ballon verschluckt.
Ihr Lächeln war jedoch freundlich und warm.
»Hi«, sagte sie
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