Die Hudson Saga 03 - Dunkle Träume
damit sagen, dass sie dir keinen Haufen Geld hinterlassen hat?«
»Wohl kaum«, erwiderte ich lachend. »Glauben das die Leute wirklich?«
Er starrte mich an.
»Oh, sie hat es arrangiert, dass ich für ein weiteres Jahr nach England zurückkehre, und ich hoffe ein Stipendium zu bekommen, aber wenn das nicht klappt …«
»Was dann?«
»Ich habe eine Cousine, die Geschäftsführerin in einem Warenhaus in Charlotte ist; sie sagte, sie könnte mir einen Job besorgen, vielleicht in der Kosmetikabteilung.«
»Du meinst, du würdest nicht einmal aufs College zurückkehren?«
»Ich könnte es mir nicht leisten«, sagte ich. »Du weißt doch, wie teuer Colleges sein können, und ich habe keinen Sugardaddy. Ich habe überhaupt keinen Daddy«, fügte ich mit schärferer Stimme hinzu und kniff die Augen ein wenig zusammen.
Er nickte und starrte mich an. Plötzlich sah er aus, als sei ihm sehr unbehaglich. Er rutschte in seinem Sessel herum.
»Was ist das für ein Treffen, das du gleich hast?«, fragte er noch ein wenig skeptisch.
»Oh, nur ein Treffen, um neue Anweisungen zu bekommen«, sagte ich so nonchalant wie möglich. Dann lächelte ich. »Du möchtest mich also zum Essen einladen? Um wie viel Uhr?«, fragte ich.
»Hm? Oh, em … erst muss ich sehen, ob ich uns Plätze reservieren kann. Es ist ein kleines Lokal und in der letzten Zeit sehr populär geworden.«
»Willst du das Telefon benutzen? Das kannst du, so lange es kein Ferngespräch ist. Ich habe versprochen, keine Ferngespräche zu führen«, erklärte ich.
»Wirklich? Also, ich glaube, von hier aus ist es ein Ferngespräch. Ja, ich denke schon. Dann rufe ich von zu Hause an und sage dir Bescheid«, sagte er.
»Prima.«
Er wand sich jetzt wie ein Fisch an der Angel und warf verzweifelte Blicke zur Tür.
»Du hattest Recht, als du sagtest, ich sollte gestatten, dass du dich entschuldigst. Es ist nicht richtig,
jemandem zu grollen. Jeder sollte eine zweite Chance bekommen, findest du nicht?«, fragte ich.
»Ja, sicher«, sagte er.
»So sind Jungen nun einmal, aber jetzt bist du älter und klüger. So etwas wird nicht wieder vorkommen, da bin ich mir sicher. Ich weiß einfach, dass du jetzt ein viel rücksichtsvollerer Mensch bist, Corbette. Wie geht es übrigens deinem Bruder?«, fragte ich.
Er schämte sich so sehr, einen Bruder mit Down-Syndrom zu haben, dass er mir ursprünglich erzählt hatte, sein Bruder sei tot. Ich hatte herausgefunden, dass er nicht tot war. Als ich ihn mit dieser Tatsache konfrontierte, hatte er seiner Mutter die ganze Schuld zugeschoben, die den Tatsachen nicht ins Auge sehen konnte. Die Wahrheit war, es war leichter für ihn, einfach zu behaupten, sein Bruder sei tot, weil er für ihn tot war.
»Ihm geht es gut. Keine Veränderungen«, erwiderte er rasch. Er warf einen Blick auf seine Uhr. »Also, ich mache mich jetzt besser auf den Weg, wenn ich für heute Abend etwas festmachen soll.«
»So bald? Wir hatten doch noch gar keine Gelegenheit, über alles zu reden«, sagte ich.
»Also … wir haben doch später noch reichlich Zeit«, meinte er.
»Ja, stimmt. Prima«, sagte ich und erhob mich. Er sprang auf. »Danke für die Rosen und dass du vorbeigekommen bist.«
»Klar.«
»Bitte tratsch nicht herum, was ich dir erzählt habe«, sagte ich und schaute ihn finster an.
Er schüttelte den Kopf.
»Das mache ich nicht.«
»Gut.« Ich lächelte ihn an und brachte ihn zur Haustür.
»Ich rufe dich in ein paar Stunden an. Es sei denn, es ist völlig unmöglich«, sagte er. »Dann rufe ich dich morgen oder übermorgen an, okay?«
»Sicher«, sagte ich. »Vergiss es nicht. Ich freue mich so darauf, dich richtig kennen zu lernen, wie du sagtest.«
Er nickte und marschierte hinaus. Ich war mir sicher, dass ich ihn nie wieder sehen würde.
»Wie ich sehe, hast du immer noch diesen Sportwagen.«
»Oh ja. Ich nehme ihn dieses Jahr mit ins College«, sagte er. »Studenten im ersten Studienjahr dürfen keine Autos auf dem Campus haben.«
»Verstehe«, sagte ich. »Es hat wirklich einige Vorteile, älter zu werden. Jeder hält dich für klüger.«
»Stimmt.«
»Ich weiß, dass ich es auch bin«, sagte ich, als er zu seinem Auto lief. Ich beobachtete, wie er einstieg und den Motor anließ. Dann winkte ich. »Das weiß ich«, wiederholte ich mit zusammengekniffenen Augen.
Er fuhr davon, ich ging hinein und schloss die Tür hinter mir. Einen Augenblick stand ich in der Eingangshalle und dachte nach.
Das war eine Lektion,
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