Die Hudson Saga 03 - Dunkle Träume
eine Lektion über Geld und seine Wichtigkeit.
Ich war Corbette dankbar, dass er vorbeigekommen war, um sie mir zu erteilen. Dadurch fühlte ich mich stärker und sah dem Treffen, das gleich stattfinden sollte, entschlossener entgegen.
Natürlich mussten sie nicht klingeln. Das hätte mir klar sein sollen.Victoria besaß ihre eigenen Schlüssel für dieses Haus. Ich räumte gerade das Geschirr und das Glas vom Mittagessen weg, als ich eine Stimme in der Eingangshalle erschallen hörte, die von den Wänden widerhallte wie ein hart geschlagener Tennisball.
»Ich möchte, dass jeder Kunstgegenstand in diesem Haus geschätzt wird. Manche von den Accessoires in diesem Haus sind ebenfalls wertvolle Antiquitäten. Mutter hat nie darauf geachtet, was Dinge kosten. Sie hatte keine Ahnung, überhaupt keine Ahnung, was sie weggab.«
Ich trat hinaus und schaute die Eingangshalle hinunter auf die drei. Meine Mutter sah schick aus in einer schwarzen Lederjacke, einer Hemdbluse und einem knöchellangen Plisseerock. Tante Victoria trug wie üblich ein zweireihiges Kostüm und Grant einen dunkelblauen Nadelstreifenanzug.
Vom ersten Augenblick an, da ich meine leibliche Mutter kennen lernte, fiel mir die Ähnlichkeit zwischen uns auf. Sie hatte etwa meine Größe, war schlank und zart gebaut. Wir hatten die gleiche
Augenfarbe und die gleiche Kieferform. Ihre Stirn war nicht so breit, ihre Nase war schmaler, aber vollkommen gerade, nur ein klein wenig scharf geschnitten an der Spitze.
Das Grübchen in ihrer Wange blitzte anscheinend ganz nach Belieben auf und verschwand wieder oder es regierte auf einen Gedanken, der ihr in den Sinn kam. Ich fragte mich immer, was meine Mutter sah, wenn sie mich anschaute. Sah sie die Ähnlichkeiten zwischen mir und meinem Vater und weckte das romantische Erinnerungen in ihr? Oder sah sie bloß ein lebendes, atmendes Problem, das sie an ihren großen Fehler erinnerte? Ich hatte schon lange die Hoffnung aufgegeben, dass sie mich je so betrachten würde, wie eine Mutter ihre Tochter anschauen sollte: mit einem Blick voller Stolz und Liebe.
Heute waren ihre Augen dunkel vor Sorge. Jedes Mal, wenn sie mich anschaute, rief ihr Blick mir förmlich zu, ich sollte all den Stress verschwinden lassen. Ich konnte sie beten hören: Lass mich in meine Fantasiewelt zurückkehren und mich meinen glücklichen Illusionen hingeben, die alles Böse ignorieren und Kummer und Sorgen begraben. Bitte, bettelten diese Augen von der ersten Sekunde an, als sie sich in der Eingangshalle mir zuwandte, bitte, Rain.
Grant war so ruhig und distinguiert wie immer. Sein Anzug sah aus, als käme er geradewegs vom Herrenausstatter. Er war ein gut aussehender Mann
mit dickem, hellbraunem Haar, das an die Farbe trockenen Heus erinnerte, wenn das Sonnenlicht darin spielte. Das sah ich am Tag von Großmutter Hudsons Beerdigung und danach. Irgendwie schaffte er es, das ganze Jahr über braun gebrannt zu sein. Ich vermutete, dass er in eines dieser Sonnenstudios ging. Sein dunkler Teint betonte das Blau seiner blaugrünen Augen, Augen, die immer voller Intelligenz schauten.Wenn er mich anschaute, spürte ich seine Konzentration, seine Suche nach dem kleinsten Hinweis auf einen Gedanken von mir in meinem Gesicht. Kein Wunder, dass er so erfolgreich vor Gericht und bei Verhandlungen war.
Sobald ich auftauchte, wandte mir Victoria ihr strenges, schmales, knochiges Gesicht zornfunkelnd zu. Sie straffte die Schultern und reckte den langen Hals. Nach dem, was Jake mir enthüllt hatte, suchte ich unwillkürlich in ihrem Äußeren nach Hinweisen darauf. Jetzt fielen mir Ähnlichkeiten des Mundes und des Kiefers auf und selbst die Form der Augen. Sie hatte jedoch nichts von seiner Jovialität, in ihrem Gesicht zeigte sich keine Spur von Freundlichkeit oder Mitgefühl. Was ein Lachen oder Lächeln auf Jakes Lippen zauberte, rief bei ihr nur ein höhnisches Grinsen hervor. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie auch nur im Entferntesten die Möglichkeit einer Verwandtschaft mit ihm in Betracht zog, viel weniger daran dachte, seine Tochter zu sein.
Jake hatte Recht. Ich konnte sie tief verwunden, indem ich ihr das erzählte. Sie hielt sich für so blaublütig.
»Wir gehen alle ins Wohnzimmer«, verkündete sie.
»Ich komme sofort«, sagte ich und kehrte absichtlich in die Küche zurück, um fertig abzuwaschen. Ich wollte sie warten lassen.
Als ich den Raum betrat, sah ich, dass Victorias Zorn sich noch gesteigert hatte, weil ich sie
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