Die Hudson Saga 03 - Dunkle Träume
Gericht kommen, stellt sich manches, was einfach und klar erschien, als ganz kompliziert heraus. Mr Sanger würde im Zeugenstand sofort zugeben, dass er nicht qualifiziert ist, den geistigen Zustand eines Menschen zu beurteilen. Er ist weder Psychiater noch irgendein Arzt. Er ist nur ein Anwalt, der tut, worum sein Mandant ihn bittet.«
Grant lächelte.
»Ein guter Anwalt wird das ganz deutlich machen, und wenn es Grund zu der Annahme gibt, was ich befürchte, dass Mrs Hudson zu der Zeit
unter großer psychischer Anspannung stand, können Dinge plötzlich ein anderes Gesicht bekommen, besonders für objektive Dritte.
Jetzt betrachte einmal die Tatsachen, Rain. Du hast gar nicht lange hier gelebt, bevor du nach London gegangen bist. Bevor du abreistest, hatte Mrs Hudson große Probleme damit, Haushaltshilfen zu halten. Entweder konnten diese Frauen sie nicht ertragen oder umgekehrt.«
»Geistig war mit ihr alles in Ordnung«, beharrte ich. »Jake wird das auch beschwören.«
Victoria lachte durch ihre steifen dünnen Lippen hindurch auf.
»Jake! Der Chauffeur? Ein weiterer Experte im Zeugenstand«, höhnte sie.
Fast hätte ich ihr entgegengeschrien: »Dieser Mann, den du als bloßen Chauffeur herabsetzt, ist dein Vater!« Aber ich erinnerte mich an Jakes Warnung, dieses Wissen nur als letzte Zuflucht zu benutzen.
Grant starrte sie rügend an, darauf schüttelte sie den Kopf und schaute weg.
»Wie dem auch sei, Rain, du bist offensichtlich eine sehr intelligente junge Dame«, fuhr er fort. »Du siehst, wohin dies alles führen kann. Im Endeffekt würde die Familie leiden. Dein Leben hinge in der Luft, und möglicherweise würdest du mit sehr viel weniger enden, als du solltest und könntest, wenn du zustimmst, dich mit mir hinzusetzen und vernünftig zu sein.
Es gibt keinen Grund, warum wir alle nicht ganz freundschaftlich damit umgehen und uns um die Interessen der Einzelnen kümmern sollten«, fuhrt er fort. »Ich bin sicher, dass Mrs Hudson das so wollte, stimmt’s?«
Meine Mutter schaute schnell auf, um zu sehen, wie ich reagierte.War ich so wie sie, fragte sie sich bestimmt. Würde ich auf Grants sanfte, besorgte und vernünftige Stimme bereitwillig eingehen? Würde ich einen Weg suchen, um Konflikte und Ungelegenheiten zu vermeiden? Wie konnten meine Reaktionen anders sein als ihre, die immer die einfachste Lösung wählte, ganz gleich wie hoch die Kosten für die eigene Selbstachtung waren?
Ich warf einen Blick auf Victoria und lächelte in mich hinein, als ich mich erinnerte, was sie Großmutter Hudson über meine Mutter gesagt hatte.
»Megan hat Angst, Falten zu bekommen, wenn sie einmal wie eine Erwachsene denkt«, hatte sie gesagt.
Victoria brauchte nur einen Blick auf mein Gesicht zu werfen, um zu sehen, dass das nicht meine größte Sorge war.
»Ich glaube«, erwiderte ich langsam, »dass meine Großmutter getan hat, was sie wollte, und dass sie von ihren Kindern erwartete, dass sie dies respektierten.«
Grant starrte mich einen Augenblick an. Ich sah, dass winzige Fältchen der Frustration, die sich wie
schmale Risse auf einer Glasscheibe ausbreiteten, in seinen Augenwinkeln auftauchten.
»Als ich das letzte Mal mit dir sprach, erwähnte ich eine Summe von etwa einer halben Million Dollar. Anwälte werden sehr teuer, für beide Parteien. Ich glaube, wenn du aus diesem komplizierten Chaos mit einer Million Dollar herauskommst, hast du eine wunderbare Chance, dir ein erfolgreiches Leben aufzubauen«, hakte er schnell nach. »Besonders wenn es intelligent angelegt wird. Dabei könnte ich dir helfen.«
Victoria sah aus, als hätte sie einen Pfirsichkern verschluckt, der ihr in der Kehle stecken geblieben war. So rot wurde ihr Gesicht. Meine Mutter wirkte überrascht. Grant hatte wohl eigenmächtig entschieden, das Angebot von einer halben Million auf eine Million Dollar zu erhöhen.
»Das ist viel Geld«, sagte meine Mutter fast flüsternd und lächelte.
»Es ist nicht das Geld, aus dem ich mir so viel mache«, sagte ich.
»Was ist es dann? Warum willst du hier bleiben und dich in solch einen hässlichen Rechtsstreit verwickeln lassen?«, wollte Grant wissen.
»Weil es das ist, was Großmutter Hudson wollte«, sagte ich. Ich wusste, ich wiederholte das fast wie ein Mantra, das mir helfen sollte, die Spannung durchzustehen, aber ich war auch fest davon überzeugt.
»Du kannst doch nicht glauben, dass sie wollte,
dass jeder es auf jeden abgesehen hatte, oder? Du kannst doch nicht
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