Die Hudson Saga 03 - Dunkle Träume
ihn gesehen hatte. Sein braunes Haar mit dem Anflug von Kupfer war immer noch so widerspenstig, kräuselte sich in seinem Genick nach oben, die einzige Unvollkommenheit in seinem ansonsten vollkommenen Äußeren. Trotz der angesehenen Stellung seiner Familie hatte Corbette immer etwas Aufsässiges an sich, etwas Gefährliches, das ihn für die meisten Mädchen noch attraktiver und aufregender machte – zugegebenermaßen für mich früher auch.
Seine kräftigen Lippen öffneten sich und verzogen sich zu einem sanften Lächeln.
»Du bist ja noch hübscher«, sagte er. »Oder ich habe einfach vergessen, wie schön du warst.«
»Hallo, Corbette«, begrüßte ich ihn kalt.
Ich stand in der Tür und wich nicht zurück, um ihn hereinzulassen. Er trug seinen dunkelblauen Sweet-William-Blazer über einem hellblauen
Hemd, Jeans und weiße Tennisschuhe. In der rechten Hand hielt er einen Strauß weißer Rosen, die er mir schnell entgegenstreckte.
Ich griff nicht nach ihnen und behielt auch meinen verärgerten Gesichtsausdruck bei. Er verlagerte sein Gewicht von einem auf den anderen Fuß.
»Das mit Mrs Hudsons Tod tut mir Leid«, sagte er. »Meine Familie ging zu der Beerdigung, und ich hörte, wie schön und würdevoll du aussahst. Viele Leute waren beeindruckt, wie traurig und fassungslos du wirktest für ein Mädchen, das doch nur Mrs Hudsons Mündel war und auch nur für so kurze Zeit. Es gibt eine Menge Tratsch über dich, darüber, was sie dir wohl hinterlassen hat«, fügte er hinzu und lächelte immer noch voll ungebrochenem Selbstvertrauen, das ich so zu verachten gelernt hatte.
Sobald er es geschafft hatte, mich herumzukriegen, konnte er es nicht abwarten, damit zu prahlen und mich wie eine Trophäe zu behandeln, die er rücksichtslos wegwerfen konnte.
Ich nahm die Rosen immer noch nicht entgegen. Völlig unbeeindruckt schaute ich vom Strauß zu ihm.
»Was willst du, Corbette?«, fragte ich ihn barsch.
»Ach, ich bin nur vorbeigekommen, um zu sehen, wie es dir geht, und um dir mit allem gebührenden Respekt meine Aufwartung zu machen.«
»Ich wusste gar nicht, dass du weißt, was Respekt bedeutet«, fauchte ich ihn an.
Als ich ihm jetzt gegenüberstand, merkte ich, dass die Zeit die Peinlichkeit und Erniedrigung nur wenig geschmälert hatte, die ich empfunden hatte, als er einige seiner Freunde vom Sweet William mitbrachte, um mir beim Reiten zuzuschauen.An dem lüsternen Lächeln auf ihren Gesichtern erkannte ich sofort, dass er ihnen alles über unsere intime Nacht nach der Theateraufführung erzählt hatte. Er versuchte mich dazu zu bewegen, mit einem seiner Freunde zu schlafen, und bot mich an, als gehörte ich ihm jetzt und er könnte mich geben, wem immer er wollte und wann immer er wollte.
Als er sah, dass ich immer noch wie eine Statue in der Tür stand, nickte er und senkte dann die Rosen.
»Ich weiß, ich weiß«, sagte er. »Du hast jedes Recht, auf mich wütend zu sein.«
»Vielen Dank für die Erlaubnis«, sagte ich.
»Ich war damals ein Blödmann. Ich wollte angeben, und das war unrecht«, sagte er und zuckte die Achseln. »Du weißt doch, wie dumm Jungen manchmal sein können. Ich war verliebt in meinen eigenen Ruf und in mein Image als Weiberheld und machte mir keine Gedanken darüber, das Richtige zu tun. Unser männliches Ego bringt uns manchmal in Schwierigkeiten«, stöhnte er kopfschüttelnd. »An dem Tag habe ich mich schlicht und einfach unreif benommen. Ich bin der Erste, der das zugibt. Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen und mir selbst auf die Nase hauen.«
Reue überschattete seinen Blick.
Ich schüttelte den Kopf.Wie leicht konnte er unterschiedliche Haltungen annehmen, unterschiedliche Gefühle vortäuschen. Kein Wunder, dass er so lange der beste Schauspieler seiner Schule gewesen war.Wenn ein Mädchen in das hübsche Gesicht mit der vollkommenen Nase und den schönen Augen sah, fiel es schwer, hart und vorsichtig zu sein. Du wolltest ihm glauben. Du wolltest, dass er jedes liebe Wort, das er dir sagte, auch so meinte, und du würdest alle Hinweise auf das Gegenteil und alle Warnungen in den Wind schlagen.
Männer beklagten sich immer darüber, dass Frauen ihr gutes Aussehen und ihre Sexualität dazu benutzen, sie in die Falle zu locken. Corbette Adams war ein gutes Beispiel dafür, dass es auch andersherum ging. Catherine und Leslie, meine beiden französischen Freundinnen in London, betrachteten sich gerne als femmes fatales. Corbette war mindestens
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