Die Hudson Saga 03 - Dunkle Träume
Verhältnis mehr zu dem stand, was er wirklich war und leisten konnte, aber wieder sah Corbette nur, was er sehen wollte. Allmählich fragte ich mich, ob das eine Krankheit der Reichen und Privilegierten unserer Welt war.
»Ich erhielt viel Komplimente für meine Darbietung. Jetzt denke ich ernsthaft daran, nach Hollywood zu gehen, vielleicht noch bevor ich mit dem College fertig bin. Ein Schulfreund von mir hat einen Onkel, der Agent ist, und er hat ihm von mir erzählt.Vielleicht siehst du mich demnächst im Film«, prophezeite Corbette.
»Ich finde, das entspräche genau deiner Natur, Corbette.«
Er starrte mich einen Augenblick an, als ihm schließlich klar wurde, dass ich ihm keine Komplimente machte.
»Klar, dass du mich nicht leiden kannst.Vermutlich kann ich nur mir daran die Schuld geben.«
»Ich denke nicht genug über dich nach, um dich nicht zu mögen, Corbette.«
Er strahlte wieder, hatte wieder absichtlich den entscheidenden Punkt verpasst.
»Ich hatte gehofft, wir könnten das Kriegsbeil begraben und vielleicht ausgehen oder so was. Ich würde dich gerne heute Abend zum Essen einladen.« Er hob rasch die Hände mit den Handflächen zu mir. »Nichts Schlimmes, keine Pläne, dich mit zu mir zu nehmen. Ich gebe dir nicht einmal
einen Gutenachtkuss, wenn du nicht willst«, versprach er.
Ich war fast versucht, ja zu sagen, nur um mit jemandem meines Alters zusammen zu sein, nur um von all dieser Spannung und dem Tumult wegzukommen. Mein Zögern gab ihm Hoffnung.
»Ich habe ein tolles neues italienisches Restaurant entdeckt. Es ist ganz klein und gemütlich.Wir könnten dort sitzen und reden und uns vielleicht richtig kennen lernen.Wir haben jetzt ja eine ganze Menge mehr gemeinsam.«
»Was soll das heißen?«
»Also, du bist jetzt doch eine bedeutende Grundbesitzerin in unserer Gemeinde. Du hast ein Vermögen geerbt. Du bist nicht länger ein armes Mädchen aus der Innenstadt, das abhängig ist von jemandes Almosen. Du bist anders -«
»Ich bin nicht anders als vorher, Corbette. Glaubst du, ich bin ein besserer Mensch, nur weil ich etwas Geld habe? Bemisst du Menschen danach?«, fauchte ich ihn an.
»Nein, natürlich nicht.« Er schüttelte den Kopf. »Verdammt, du bringst mich dazu, über jedes Wort nachzudenken, als wären wir vor Gericht oder so. Vielleicht solltest du Anwältin werden.«
»Vielleicht werde ich das auch. Anscheinend ist das heutzutage genauso wichtig wie Ärzte früher«, sagte ich, als ich daran dachte, was zwischen mir, meiner Mutter und meiner Tante vorgehen würde.
Er lachte.
»Stimmt. In einer Fernsehwerbung heißt es dann: ›Verlassen Sie nie ohne Anwalt das Haus‹ zitierte er und schrieb die Worte in die Luft zwischen uns.
Ich musste unwillkürlich lächeln.
»So ist’s schon besser.Wir müssen uns doch nicht mit Worten bekämpfen.«
War ich eine Närrin, als ich zuließ, dass seine Süßholzraspelei und sein Lächeln meine Verteidigungslinien schwächten? Großmutter Hudson hatte mir schon früh eine Redensart beigebracht: Einmal zum Narren gehalten – Schande über dich; zweimal zum Narren gehalten – Schande über mich.
Plötzlich kam mir eine Idee – ein schneller Test für Corbettes Aufrichtigkeit.
»Vielleicht habe ich gar nicht so viel Geld, wie du denkst, Corbette, und vielleicht bin ich gar keine Grundbesitzerin.Vielleicht ist alles, was du gehört hast, nur Übertreibung. Vielleicht warte ich drauf, dass ich entlassen werde, mache mich dann davon und niemand hört oder sieht je wieder etwas von mir.«
Sein Lächeln erstarrte und verflog ganz langsam.
»Was ist denn die Wahrheit?«, fragte er.
Ich lächelte in mich hinein, als ich sah, wie ein Ausdruck von Unsicherheit in diese schönen Augen getreten war und ihren Charme und ihr Funkeln erstickte.
»Also«, sagte ich, schaute mich um und senkte
die Stimme. »Ich erzähle es dir, solange du versprichst, es nicht zur Neuigkeit des Tages zu machen.«
»He, ich bin doch keine Tratschtante.«
»Gut. Sie sagten, ich könnte eine Weile hier bleiben, solange ich das Haus sauber halte.«
»Hm?«
»Sie wollten, dass ich noch eine Weile bleibe und das Haus in Ordnung halte. Sie bezahlen mich natürlich dafür, und sie werden mir auch die Fahrkarte dorthin bezahlen, wo immer ich hinterher hinfahren will. Sie hoffen, glaube ich, es in einem Monat zu verkaufen. Jemand muss bis dahin hier bleiben und alles im Auge behalten, und niemand in Mrs Hudsons Familie ist bereit, hier zu wohnen.«
»Willst du
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