Die Hudson Saga 04 - Im Schein des Mondes
Ich hatte meinen Wachwechsel um eine gute halbe Stunde verschlafen, und Harley war nicht gekommen, um mich zu wecken. Ich wusste, er würde es nicht tun. Ich schimpfte mit mir, weil ich ihn im Stich ließ, und stand so schnell wie möglich auf.
Oben war es jetzt sehr ruhig.Vermutlich schliefen sie bequem in ihren Betten, behaglich in ihrer verdammten Geisteskrankheit. Gestärkt und energiegeladen durch meine Wut ging ich in den äußeren Raum. Als ich den Durchbruch erreichte, rief ich nach Harley, aber er antwortete nicht.
Ich schaute hinaus und sah ihn am Fuß der Treppe liegen, den Körper zusammengerollt, den Kopf auf dem harten Boden.
Das kann doch nicht sehr bequem sein, dachte ich. Wenn er aufwacht, wird ihm alles wehtun.
»Harley!«, rief ich und schob mich durch den Spalt. Er rührte sich nicht. Ich lief rasch zu ihm. »Harley.«
Ich kniete mich hin und schüttelte ihn. Seine Augenlider zitterten, öffneten sich aber nicht. »Harley!«
Ich drehte ihn um auf den Rücken, schüttelte ihn so fest ich konnte und rief ihn beim Namen. Dennoch öffnete
er die Augen nicht. Ich sah, wie sich seine Augäpfel bewegten, aber die Lider gingen nicht auf.
»Harley! Was ist los? Harley!«
Mein Herz schlug einen Purzelbaum. Ich spürte, wie ein kalter Luftzug über mich fuhr, als mir plötzlich klar wurde, dass Suze etwas Stärkeres in das Essen getan haben musste. Harley hatte zu viel davon gegessen. Ein eiskalter Schauer jagte mir über den Rücken.
»Hilfe!«, schrie ich. »Hilfe! Harley ist etwas passiert! Hilfe! Hilfe!«
Ich schüttelte ihn, schrie ihn an und schüttelte ihn erneut, aber er wachte nicht auf.Tränen strömten mir über das Gesicht.
»Harley«, wisperte ich. Ich hob ihn hoch, um ihn in die Arme zu schließen, wiegte mich mit ihm hin und her und rief immer wieder seinen Namen.
Ich lauschte, hörte aber nichts von oben. Bestimmt hatten sie mich gehört, aber entweder war es ihnen egal oder sie glaubten mir nicht.
Was sollte ich tun?
Ich wollte ihn hier nicht so liegen lassen, deshalb fuhr ich mit meinen Armen unter seine und hob ihn so gut ich konnte hoch. Dann fing ich an, ihn zurückzuschleifen. Da mein Knöchel noch sehr empfindlich war, war das eine sehr schwere, strapaziöse Arbeit. Immer noch hoffte ich, er würde aufwachen und es würde ihm gut gehen, aber trotz allem, was ich mit ihm anstellte, hatte er die Augen immer noch geschlossen, die Lippen leicht geöffnet.
Am schwierigsten war es, ihn durch die Öffnung zu bugsieren, ohne ihn zu verletzen. Ich weiß nicht, wo ich die Kraft hernahm, aber ich hob ihn hoch und ließ ihn dann sanft zu Boden gleiten. Ich brachte ihn bis zum Bett und schaffte es, ihn hochzuhieven und seinen Kopf auf das Kissen zu legen. Dann holte ich schnell ein kaltes Tuch für seine Stirn.
»Harley, bitte wach auf. Harley«, rief ich. Ich schüttelte ihn, seine Augenlider zitterten wieder, öffneten sich aber nicht.
Ich kroch neben ihn, hielt ihn fest und wiegte mich auf dem Bett mit ihm.
»Mommy«, flüsterte ich. »Daddy, bitte, hilf uns. Irgendjemand soll uns helfen, bitte, bitte.«
Die Kuckucksuhr schlug die Stunde, und die Tänzer kamen heraus. Sie wirbelten im Kreis herum und zogen sich wieder zurück.
Dann war alles wieder still.
Alles, was ich hörte, war mein eigenes Stöhnen, meine eigenen leisen Gebete.
KAPITEL 15
Die Dunkelheit bricht herein
E in Ächzen drang über Harleys Lippen. Ich schüttelte ihn sanft und wiederholte seinen Namen. Seine Lider zitterten stärker, aber er öffnete sie nicht, obwohl die Augäpfel darunter sich hektisch bewegten. Es war, als ob seine Augenlider zugeklebt worden wären und er sie nicht öffnen könnte, so sehr er sich auch bemühte.
Als ich seine Wange mit meinen Lippen berührte, merkte ich, wie heiß seine Haut geworden war. Er hatte hohes Fieber. Ich überlegte einen Augenblick und holte ihm dann schnell ein Glas kaltes Wasser. Ich hob seinen Kopf behutsam an, setzte das Glas an seine Lippen und goss ein wenig in seinen Mund. Etwas davon lief heraus, das Kinn hinunter, aber es gelangte genug hinein, dass er schlucken konnte. Er stöhnte wieder, ich goss noch mehr Wasser hinein, bis er hustete und seine Augenlider sich langsam öffneten.
Er hatte einen benommenen Blick, als wüsste er gar nicht, wer ich war oder wo er war. Er stierte mich nur an.
»Harley, was ist los? Harley?«
»Mama«, murmelte er. »Mama, mir ist nicht gut.«
»Harley, ich bin’s, Summer.Was ist los?«
»Mama, mein Magen
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