Die Hudson Saga 04 - Im Schein des Mondes
um die Taille zu packen und vom Floß zu schmeißen. Sie schrie auf, als sie ins Wasser fiel.
»Warum hast du das getan?«, schrie ich, weil sie mir Leid tat. Ich wusste, wie unsicher sie bereits war. Jetzt würde sie sich dumm vorkommen und verlegen fühlen, weil es direkt vor Harleys Augen passiert war.
Bevor ich ihn hindern konnte, drehte Harley sich um, trat Chase gegen die Beine und traf ihn an den Waden, dass er vorwärts taumelte, das Gleichgewicht verlor und selbst vom Floß fiel. Einige der Kids, die auf uns zuschwammen, lachten und neckten Chase, der wasserspuckend auftauchte. Er schwamm herum zu der Leiter und stieß Amber aus dem Weg.
»Fang bloß keinen Streit an«, rief ich, als er hochgestürmt kam.
»Ich fange überhaupt nichts an«, erwiderte er, »ich bringe es zu Ende.«
Er sprang Harley an, und die beiden rangen auf dem Floß. Jeder versuchte, den anderen über den Rand zu drängen. Ich schrie. Am Ufer kamen Onkel Roy und Daddy ans Wasser und riefen in unsere Richtung. Ich sah, dass Mommy um den Tisch herum auf sie zufuhr. Tante Glenda hielt den Kopf gesenkt.
Weder Harley noch Chase wollten aufhören. Chase war stärker und drängte Harley an den Rand des Floßes. Statt herunterzustürzen, biss Harley Chase in die Hand und zwang ihn so, seinen Griff zu lösen. Dann senkte er den Kopf und stieß Chase mit der Schulter in den Magen, dass er rückwärts stürzte, auf den Hintern knallte und beinahe über den Rand fiel. Gerade eben konnte er sich noch festhalten und verhindern, dass er ins Wasser fiel.
»Du Bastard!«, rief Chase.
»Hört auf!«, rief ich, so laut ich konnte. Harley warf mir einen Blick zu, machte einen Kopfsprung vom Floß herunter und schwamm in Richtung Ufer. Chase erlangte das Gleichgewicht wieder, richtete sich auf und betrachtete seine Hand.
»Mein Gott, dieses Mistvieh hat mich gebissen. Schau dir das an«, sagte er und zeigte mir seine Hand. Die Haut war aufgeritzt, es blutete leicht. »Ich muss mir eine Tetanusspritze geben lassen. Wer weiß, welche Krankheiten er hat?«
Die anderen trafen ein und waren geschockt vom Anblick von Chase’Wunde.
»Du hast ihn provoziert«, sagte ich. »Jetzt schau dir die Bescherung an.«
Ich sprang ins Wasser und startete in Richtung Ufer. Amber folgte mir. Ich schwamm so schnell ich konnte, kam aber nicht rechtzeitig an, um Onkel Roy dran zu hindern, Harley einen heftigen Schlag zu verpassen. Ich hörte, wie er ihn anbrüllte, nach Hause zu gehen. Harley
blieb einen Augenblick stehen, dann wirbelte er herum und ging schnell weg.
»Harley!«, rief ich. Er schaute sich nicht um.
»Roy, du warst zu hart zu ihm«, beklagte Mommy sich, als sie neben ihn und Daddy rollte.
»Das ist die einzige Sprache, die er versteht«, sagte Onkel Roy.
»Du weißt, dass das nicht stimmt, Roy. Ausgerechnet du solltest doch wissen, wie es ist, einen Vater zu haben, der nicht davor zurückschreckt, körperliche Gewalt anzuwenden.«
»Ja«, sagte Onkel Roy. Er schaute mich an, als ich noch im Wasser stand. »Tut mir Leid, Prinzessin. Ich habe ihm heute Morgen eine Lektion erteilt, aber das hat nichts genützt.«
»Es war nicht allein seine Schuld, Onkel Roy.«
»Es ist nie nur seine Schuld, aber irgendwie steckt er immer mittendrin.«
Er drehte sich um und ging zu den Tischen zurück. All das Gelächter und fröhliche Gerede, selbst die Musik schien plötzlich zu erstarren.
Ich schaute Mommy an, die sich zwang, mich anzulächeln.
»Lass es jetzt dabei bewenden«, sagte sie. »Jetzt ist nicht der rechte Zeitpunkt für so eine Unterhaltung.«
Ich nickte und warf einen Blick auf Amber, die mittlerweile neben mir stand und fast ebenso verzweifelt wirkte.
Wir schauten beide hinter Harley her, der das Haus erreicht
hatte und hineinging. Die Fliegengittertür ließ er hinter sich zuknallen wie die Tür einer Gefängniszelle.
Daddy forderte die Musiker auf weiterzuspielen. Die Mitarbeiter des Partyservice gingen umher und boten den Erwachsenen Champagner und Wein an. Ich hörte ein lautes Lachen, das von Tante Alison kam.
Chase watete aus dem Wasser und hielt dabei seine Hand melodramatisch hoch, damit das Blut heruntertropfen konnte, wodurch es schlimmer aussah, als es war. Ich hörte, wie viele nach Luft schnappten. Daddy ging sofort zu ihm und nahm ihn mit ins Haus, um die Wunde zu desinfizieren und zu verbinden.
Manchmal reichen ein paar Sekunden, ein paar Augenblicke aus, um aus einem Tag voller Regenbögen einen Tag voller Blitze und Donner
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