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Die Hudson Saga 04 - Im Schein des Mondes

Die Hudson Saga 04 - Im Schein des Mondes

Titel: Die Hudson Saga 04 - Im Schein des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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dass so etwas eine Rolle spielte, reagierte Sarah mit einer vehementen Deklaration: »Selbst eine Stunde unter einem totalitären System ist zu lang! Nur weil wir Musikschüler sind, bedeutet das nicht, dass wir grundlegende Menschenrechte aufgeben müssen.«
    Die meisten starrten sie einfach nur an. Wenn sie nicht hinschaute, schüttelten sie aus Mitgefühl mit mir den Kopf. Schließlich war sie meine Zimmergenossin.
    Wie sich herausstellte, redete Sarah über Rebellion, tat aber nichts, um sie zu schüren. Sie steuerte gleichzeitig auf vier verschiedene Richtungen los, aber als sie sich schließlich hinsetzte, ihren Unterricht bekam und zu spielen begann, stellte sich heraus, dass sie sehr talentiert und intelligent war. Unsere Lehrer mochten sie sehr gern. Sie brachte es fertig, Empörendes von sich zu geben, worauf die Augenbrauen hochgezogen wurden und ernste Gesichter sich zu einem sanften Lächeln erweichten, aber sobald das Mundstück ihre Lippen berührte, war das alles vergessen und wundervolle Musik erklang.
    Sie kam sofort in das Orchester für Fortgeschrittene und wurde auch vom Jazz-Ensemble vereinnahmt. Obwohl sie ein echtes Original war, wurde sie beliebt und
platzte in der Cafeteria gerne in irgendeine Clique hinein, um ihre ungeheuerliche Meinung über alles und jeden zum Besten zu geben. Manchmal hatte ich das Gefühl, sie schockierte andere Schüler gerne nur so zum Spaß.
    Unser Zimmer erinnerte bald an einen Fernsehfilm mit geteiltem Bildschirm: Meine Seite war sauber, ordentlich aufgeräumt. In ihrer quollen Kleidungsstücke aus halb geöffneten Schubladen, Kleider lagen auf Stühlen oder sogar auf dem Boden. Ihr Bett war normalerweise ungemacht, und immer hing irgendetwas an ihrer Schranktür, normalerweise ein Slip oder eine Bluse. Mrs Bernard, die Wohnheimleiterin kam häufig vorbei und äußerte ihr Missfallen. Sarah nickte dann, als hörte sie wirklich zu und sei betroffen; sie kritisierte sich selbst sogar noch harscher, aber sobald Mrs Bernard das Zimmer verließ, rief sie laut »wigittsch« und kehrte zu ihrer Schlamperei zurück.
    Ihre Mutter hatte sie mit einigen akzeptablen Röcken und Blusen ausgestattet, aber sie besaß nur Schuhe mit dicken Sohlen und hohen Absätzen, die sie komisch wirken ließen, wenn sie vom Wohnheim zum Unterricht oder zur Aula ging. Sie sah aus, als ginge sie auf Stelzen. Vermutlich akzeptierte jeder das, weil sie dadurch ein bisschen größer wirkte.
    Sie redete sich gerne jeden Abend in den Schlaf. So erfuhr ich eine Menge über ihre Familie, ob ich nun wollte oder nicht. Ich erfuhr, dass ihre Mutter sie zur Welt gebracht hatte und dass ihre Eltern fast drei
Jahre mit ihr zusammengelebt hatten, bevor sie tatsächlich heirateten.
    »Wenn sie das nicht getan hätten, hätten sie keine so großen Ausgaben bei der Scheidung gehabt«, erzählte sie mir. »Ich werde nie heiraten. Ich werde mit vier oder fünf verschiedenen Männern zusammenleben, nacheinander selbstverständlich, und dann alleine in Paris oder London leben.«
    »Du willst keine Familie haben?«, fragte ich sie.
    »Vielleicht werde ich eine Familie haben, vielleicht auch nicht, aber wenn ja, werde ich meine Unabhängigkeit nicht aufgeben. Es ist sehr wichtig, unabhängig zu sein«, belehrte sie mich. »Werde nicht eine Mrs Soundso und verlier dich an deinen Ehemann.Wir sind von all dem befreit worden. Männer müssen uns als ebenbürtig akzeptieren oder überhaupt nicht.«
    »Ich glaube, man kann ebenbürtig sein und dennoch eine Familie haben«, meinte ich. »Und ich glaube nicht, dass man seine Identität aufgeben muss, um eine Mutter und Ehefrau zu sein.«
    Sie schwieg. Ich hatte das Gefühl, sie wollte lieber nichts sagen als irgendetwas, das mich verletzten könnte. Ich hatte außerdem das Gefühl, dass sie sich oft anhörte wie jemand, der nicht wirklich glaubte, was er sagte. Manchmal dachte ich, dass sie das genaue Gegenteil glauben wollte.
    »Bist du noch Jungfrau?«, fragte sie an jenem Abend.
    »Was? Ja«, erwiderte ich rasch.
    »Viele Mädchen möchten heutzutage noch Jungfrauen
sein, bis sie tatsächlich heiraten«, sagte sie, und es hörte sich an, als sei dies eine wilde neue Idee. »Und nicht nur wegen all dieser sexuell übertragbaren Krankheiten. Sie halten es einfach für wichtig. Bist du deshalb noch Jungfrau?«
    »Ich denke ja«, sagte ich. »Ich finde, es gibt einige Dinge, die heilig gehalten werden sollten.«
    Wieder schwieg sie. Ich hatte Angst, sie zu fragen, ob sie noch

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