Die Hudson Saga 04 - Im Schein des Mondes
Stunde zu erzählen, Summer?«
»Es ist etwas Schreckliches«, antwortete Sarah für mich, und Mrs Bernard trat zurück, um uns einzulassen.
Die Ankunft der Polizei auf dem Campus erfolgte relativ unbemerkt, weil sie weder Blaulicht noch Sirenen einsetzten. Der schwarz-weiße Streifenwagen schien aus den Schatten aufzutauchen und wieder zu verschwinden. Dr. Greenleaf war benachrichtigt worden, ebenso Mrs Mariot, die Präsidentin des Kuratoriums. Dass es so spät in der Nacht war, ließ alles wie einen Traum erscheinen. Wie um zu illustrieren, wie wichtig es war, alles so diskret zu behandeln, sprach niemand mit lauter Stimme, nicht einmal die Polizei. Eine Polizeibeamtin war mitgekommen, um mit mir zu sprechen und mich ins Krankenhaus zu begleiten, wo ich untersucht werden musste.
»Es ist sehr wichtig, so bald wie möglich festzuhalten, dass tatsächlich passiert ist, was du gesagt hast.« Dr. Greenleaf sagte, dass er sofort meine Eltern anrufen müsste. Das rief bei mir einen neuen Tränenausbruch hervor. Daddy bat darum, mit mir zu sprechen, und ich ging zum Telefon, bevor ich zum Krankenhaus fuhr. Er hörte sich so weit entfernt und so erschrocken an.
»Wie geht es dir, Schätzchen?«, fragte er.
»Mir geht es gut«, sagte ich, obwohl ich mich so schwach und verängstigt fühlte, dass ich kaum stehen konnte. Meine Kehle war zugeschnürt, dass es wehtat zu sprechen, aber ich wollte ihn und Mommy nicht in Panik versetzen.
»Wir fahren sofort los.«
»Es tut mir Leid, Daddy«, schluchzte ich. »Es tut mir so Leid.«
»He, es braucht dir nicht Leid tun. Niemand gibt dir die Schuld an irgendetwas, Schätzchen. Tu einfach, was sie von dir verlangen. Ich will dieses Tier hinter Gittern sehen«, fügte er mit durch seinen aufflackernden Zorn lauter werdender Stimme hinzu. Ich sah förmlich, dass er mit zusammengebissenen Zähnen redete.
»Ich möchte nicht, dass Mommy krank wird«, stöhnte ich.
»Ihr geht es gut. Sie ist stärker als ich«, versicherte er mir. »Nimm dich zusammen, bis wir da sind. Versprich mir das.«
»Okay, Daddy.«
»Wir sind bald da«, sagte er, dabei brach seine Stimme vor Erregung.
Ich legte schnell auf. Die Polizistin, Officer Wilson, musste mich festhalten und für die Fahrt zum Krankenhaus fast zur Tür des Polizeiautos tragen. Ich hatte ja keine Ahnung, dass dies der Auftakt eines langen Alptraumes war.
Als ich untersucht worden war und ins Wohnheim zurückkehrte, war es bereits früher Morgen. Sarah war eingeschlafen, sprang aber sofort auf, als ich das Zimmer betrat. Sie warf einen Blick auf mich und brach fast selbst in Tränen aus.
»War es sehr schlimm?«
»Entsetzlich«, sagte ich, »aber die Polizei hat bekommen, was sie wollte.«
»Du wirkst erschöpft.«
»Das bin ich auch, aber ich möchte mich jetzt duschen
und anziehen. Meine Eltern werden bald hier sein.«
»Alle werden sich wundern, wo du bist«, sagte sie.
»Ich weiß.«
»Ich werde ihnen nichts erzählen. Ich werde einfach sagen, du hättest dich nicht wohl gefühlt«, versprach sie.
Ich nickte und ging ins Badezimmer. Ich hatte mich kaum abgetrocknet und angezogen, als Daddy und Mommy eintrafen. Beide umarmten und drückten mich. Daddy hatte Recht in Bezug auf Mommy. Sie wirkte stärker als er. Seine Augen waren blutunterlaufen, und seine Lippen zitterten beim Sprechen vor Zorn und Traurigkeit. Mommy blieb ruhig.
»Dr. Greenleaf bat uns, zu ihm in sein Büro zu kommen, sobald du bereit bist, Liebling«, sagte sie.
»Es war teilweise mein Fehler, Mommy. Ich habe mich während der Nachtruhe aus dem Fenster gestohlen und bin mit ihm gegangen«, gestand ich. »Ich wollte nur mit ihm spazieren gehen und reden.«
»Okay, Schätzchen. Reg dich nicht so darüber auf, sonst kannst du gar nicht mehr reden. Erzähl nur allen, die es wissen müssen, was genau passiert ist.«
»Wie konnte so etwas bloß passieren?«, rief Daddy mit ausgebreiteten Armen.
»Austin«, wies Mommy ihn vorwurfsvoll zurecht und riss dabei die Augen weit auf.
Er schüttelte den Kopf und stand am Fenster, als schaute er direkt auf die Szene des Verbrechens.
»Okay, Mommy«, sagte ich. »Ich bin so weit.«
»Möchtest du zuerst etwas essen, Schätzchen?«
»Nein«, lehnte ich ab. »Lass uns jetzt hinter uns bringen, was wir tun müssen.«
Sie nickte, Daddy schob ihren Rollstuhl, während ich neben ihnen herging.Wir luden Mommy in den Transporter und fuhren zu dem Verwaltungsgebäude hinrüber. Ein Blick auf Mrs Whittaker verriet
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