Die Hüter der Nacht
Bar, in der die Mannschaft zu kostenlosen Getränken eingeladen war. Man sagte mir, jemand würde an mich herantreten, wenn das Spiel abgepfiffen würde, und ich sollte mich so normal verhalten wie möglich. Aber mir war nicht klar …«
»Wie lauteten die Anweisungen bezüglich der Diskette, die Fasil Ihnen übergab?«
Abdel Sidr zögerte nicht mit der Antwort. »Ich sollte sie nach Athen mitnehmen.«
»Athen?«
»Übermorgen haben wir dort ein Spiel. Wir werden immer direkt zum Flugzeug auf dem Flughafen in Gaza gebracht. Man bringt uns nie durch die Sicherheitskontrolle.«
»Weiter.«
»Morgen sollten wir – die Mannschaft, meine ich – eine Besichtigung von Athen unternehmen. Ich sollte die Diskette mitnehmen und mich am Nationalmuseum vom Rest der Gruppe absondern. Dann würde jemand an mich herantreten und mich um ein Autogramm bitten. Dabei sollte ich der Person die Diskette übergeben.«
»Warum haben Sie das niemandem zuvor erzählt?«
»Ich wurde nie danach gefragt, sidi.«
Al-Asi blickte unbehaglich drein, beinahe verlegen; Ben konnte sich nicht erinnern, ihn schon einmal so erlebt zu haben. »Es tut mir Leid, Inspector«, sagte der Colonel. »Bitte fahren Sie fort.«
»Sie wissen nicht, wer diese Kontaktperson sein wird?«, fragte Ben den Fußballstar.
»Sie wird mich erkennen.«
»Wie?«
»Wir werden Trainingsanzüge mit unserem Namen und der Nummer tragen, Inspector.«
Ben nickte und blickte wieder zu al-Asi. »Ich bin hier fertig. Gehen wir.«
»Noch nicht«, sagte der Colonel. »Ich habe noch eine andere Frage an den Häftling.« Er richtete den Blick scharf auf Abdel Sidr. Ben hatte diesen gefährlichen Ausdruck in den Augen des Colonels schon einmal gesehen. »Warum haben Sie es getan?«
Sidr zuckte mit den muskulösen Schultern. »Wir bekommen kein Geld fürs Fußballspielen, sidi.«
»Niemand weiß, dass Abdel Sidr im Gefängnis gewesen ist«, sagte Ben nachdenklich, als sie wieder draußen waren.
»Vielleicht wissen seine Mannschaftskameraden davon, aber wir haben ihnen verboten, mit den Medien darüber zu sprechen.«
»So hat der Kurier keinen Grund zu der Annahme, Sidr wird nicht am Nationalmuseum in Athen auftauchen und die Diskette wie geplant übergeben.«
Al-Asi sah ihn verdutzt an. »Sie wollen, dass Sidr den ursprünglichen Plan durchzieht?«
»Nicht genau, Colonel.«
74.
»Unter diesen Umständen hielt ich es für das Beste, mich mit Ihnen zu treffen«, sagte Abraham Vorsky, der ehemalige Leiter des Mossad, zu Anna Krieger, der Leiterin der Wächter des Tores.
»Warum?«, fragte sie. Sie hatte es abgelehnt, auf dem Stuhl neben Vorsky Platz zu nehmen, weil sie es vorzog, zu stehen. Ihre Perücke haftete fest auf dem Kopf, und die dichte Schminkschicht, eigens für Brandopfer angefertigt, fühlte sich an wie eine Halloween-Maske.
»Weil die Lage kompliziert ist.«
»Nicht für uns.«
»Genau meine Meinung.«
Sie hatten sich im Ostteil von Istanbul im Hotel Princess Ortakoy am Ortakoy-Platz getroffen, von dem aus man einen Blick zum Bosporus hatte. Die Aussicht von den Fenstern der Hotelhalle schloss auch die gewaltigen Feriye-Paläste aus byzantinischer Zeit und die gewaltigen Säulen der Bosporus-Brücke ein. In vergangenen Jahrhunderten war das Netzwerk der Kanäle, das sich zur Meerenge wand, der einzige Reiseweg inmitten der Ortschaften gewesen, die sie gesäumt hatten. Seither waren längst Verbindungsstraßen hinzugekommen, doch der Charakter dieses berühmten Teils von Istanbul wurde immer noch vom Wasserweg geprägt, der einst mit Booten gefüllt gewesen war, auf denen Personen und Waren transportiert worden waren. Die Lebensader einer Stadt, für die Wasser wie Blut gewesen war.
Die Einrichtung der Halle des Princess Ortakoy wirkte mehr wie die eines Museums als die eines Hotels. Abraham Vorskys Stuhl und derjenige, den er Anna Krieger angeboten hatte, waren aus dem Ciragan-Palast gerettet worden, nachdem er Ende des 19. Jahrhunderts bei einem Brand schlimm beschädigt worden war. Sie waren längst in den Besitz des Hotels Princess Ortakoy übergegangen.
»Wenn Hans Mundts Verdacht über Paul Hessler stimmt, werden Ihre Leute handeln«, führ Vorsky fort.
Anna richtete sich steif auf. »Sie haben mich herbestellt, um mir zu sagen, was meine Leute tun werden?«
»Diesmal aber können Sie sie nicht gewähren lassen.«
»Wollen Sie mich stoppen?«
»Ich habe meine Befehle.«
»Und ich habe meine Pflicht.«
Abraham Vorsky lehnte sich zurück,
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