Die Hüter der Nacht
nehmen würde.
Es war ein bewölkter, regnerischer Tag, der es ihm erlaubte, Abdel Sidrs Trainingsanzug mit einem Mantel zu verdecken. Auf dem glänzenden, blauen Stoff des Trainingsanzugs waren der Name des Stars und seine Spielernummer aufgestickt.
»Ich halte das für keine gute Idee«, hatte Colonel Nabril al-Asi gestern vor dem Gefängnis in Jericho gewarnt, als Ben ihm seinen Plan erklärt hatte.
»Warum nicht? Da Sidrs Festnahme geheim geblieben ist, können wir davon ausgehen, dass der Kurier, mit dem er sich in Athen treffen soll, nichts davon weiß.«
»Sie gehen ebenfalls davon aus, dass der Kurier nicht weiß, wie Sidr aussieht, Inspector. Dass er ihn nicht einmal von einem Foto kennt.«
»Das ist leider wahr, Colonel«, hatte Ben eingeräumt. »Aber Sidr hat betont, wie wichtig es ist, dass er seinen Trainingsanzug trägt. Warum sollte das so wichtig sein, wenn sich der Kurier nicht darauf verlassen würde, um ihn zu identifizieren?«
Al-Asi hatte mit den Schultern gezuckt und Bens Argument nicht widerlegen können. »Ich habe keine Freunde in Athen«, hatte er stattdessen gesagt. »Sie werden ganz auf sich allein gestellt sein.«
»Ich erwarte nicht, sehr lange dort zu sein.«
»Sie wissen jetzt, wer diese Kinder umgebracht hat, nicht wahr?«, hatte al-Asi zögernd gefragt.
»Ich nehme es an, ja. In Athen werde ich Gewissheit bekommen.«
»Ist es eine Annahme oder eine Hoffnung? Der Klang Ihrer Stimme stört mich, Inspector. So hört sich jemand an, der auf mehr aus ist als auf die Lösung eines Rätsels.«
»Nur wenn ich die Chance bekomme«, hatte Ben geheimnisvoll erwidert.
Al-Asi hatte es dabei belassen. Er hatte Ben bei den Reisevorbereitungen geholfen und ihn im Winnebago zum Flughafen Gaza gefahren. Ben war nach Kairo geflogen und dann in einen Jet nach Athen gestiegen. Er war unbewaffnet und hatte nur einen Tragebeutel mitgenommen, in dem der Mantel und Abdel Sidrs Trainingsanzug gewesen waren. Die Mannschaft war gestern in Athen eingetroffen, und der Museumsbesuch war für heute Nachmittag geplant, am Tag vor dem Spiel gegen die griechische Nationalmannschaft.
Im Museum blieb Ben inmitten der Reporter zurück, die den Besuch der palästinensischen Fußballmannschaft begleiteten, ein wenig zurück, bevor er eine Toilette aufsuchte. Er ließ den Mantel in einer Kabine hängen und erschien im Trainingsanzug mit der Nummer Sieben und dem Namen ›Sidr‹ darauf. Die Mannschaft war jetzt weit vor ihm, und er bog ab auf einen anderen Flur.
»Ich sollte mich von der Mannschaft absondern«, hatte Abdel Sidr gesagt. »Der Kurier sollte mich finden, um die Diskette entgegenzunehmen.«
Trotz seiner optimistischen Worte gegenüber al-Asi war Ben sich immer noch nicht sicher, ob der Kurier Sidr von einem Foto kannte, oder ob er sich nur auf den Namen und die Nummer konzentrierte. Wenn der Kurier wusste, wie Sidr aussah, würde der Plan sofort scheitern. Vielleicht war er schon gescheitert …
Eine Sammlung griechischer Kunst und Artefakte war in den großen weißen Marmorhallen des Nationalen Archäologischen Museums ausgestellt. In einzelnen Räumen und Galerien wurden verschiedene Perioden, Zeitalter und Themenkomplexe behandelt. Unbewaffnet schlenderte Ben umher und suchte eine Kammer, die ein gewisses Maß an Deckung bot, falls er sie brauchte. Wahrscheinlich wurde er selbst jetzt beobachtet, und er nahm sich einen dreifach gefalteten Wegweiser durchs Museum von einem der Informationstische.
Mit der Broschüre wollte er sein Gesicht verbergen. Dann, als nachträglicher Einfall, sah er sich die Karte mit den Schwerpunkten der Ausstellungsthemen des Museums genauer an. Neben der Gartenanlage im Erdgeschoss war eine neue Ausstellung ›Waffen und Rüstungen des antiken Griechenland‹ mit einem Stern versehen.
Ben ging weiter über den langen Flur darauf zu und sah bestürzt ein Schild an der geschlossenen Tür am Ende des Flurs, das darüber informierte, dass die Ausstellung erst in der nächsten Woche eröffnet würde. Er versuchte trotzdem, die Tür zu öffnen, und spürte, wie der Griff sich drehte. Ohne zurückzublicken, betrat Ben die Ausstellungshalle und schloss die Tür hinter sich.
Getreu ihrem Namen bestand die Ausstellung aus Waffen und Rüstungen verschiedener Größen. Von Katapulten, die im Persischen Krieg bei Belagerungs-Taktiken benutzt worden waren, über Puppen mit Helm und voller Rüstung bis hin zu Schwertern, Bogen und Pfeilen, Speeren, Lanzen und Schleudern bot
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