Die Hüter der Nacht
Die Besuche und Anrufe von Verwandten und Freunden hatten aufgehört. Seine Enkelkinder waren in die Schule zurückgekehrt, seine Ex-Frau in ihr Haus in Palm Springs, die anderen Kinder in ihre Welt, die sie sich aufgebaut hatten.
Heute war Paul Hessler mit den Gedanken an seinen ermordeten Sohn allein. Um sich abzulenken, versuchte er sich auf den wundersamen Erfolg von Projekt 4601 zu konzentrieren. Ganz gleich, wie viele Menschenleben Projekt 4601 rettete – es konnte seinen Sohn nicht zurückbringen.
Aber noch etwas anderes machte Paul Hessler zu schaffen, als er im letzten Tageslicht auf der Brücke zwischen den Wolkenkratzern stand. Andere würden sicherlich in der Lage sein, dieselbe Wahrheit herauszufinden wie Sergeant Walter Phipps, der alte Soldat, der Ari ermordet hatte. Und das konnte ihn so wirkungsvoll vernichten wie eine Kugel. Die einzige Frage war, wovon er zuerst erwischt wurde.
»Mr. Hessler?«
Überrascht wandte Paul sich um. Einer seiner Sicherheitsleute, die allesamt Blazer trugen, stand an einem Ende der Brücke.
»Verzeihen Sie die Störung«, sagte der Sicherheitsmann. »Aber unten ist jemand, der Sie sprechen möchte.«
»Ich habe keinen Termin für heute Abend geplant.«
»Das hat man mir gesagt, Sir. Aber dieser Mann ist Polizist, ein palästinensischer Polizist.«
»Palästinensisch?«
Der Sicherheitsmann nickte steif. »Er sagt, er hat Informationen über die Ermordung Ihres Sohnes.«
78.
»Er meldet sich nicht«, sagte Danielle und drückte auf die END-Taste von Mundts Handy.
Der große Mann blickte sie finster an. »Sie sagten, das ist die Nummer, die Hessler Ihnen gegeben hat und unter der Sie ihn rund um die Uhr erreichen können.«
»Da hat sich offenbar etwas geändert.«
Danielle hatte bereits versucht, Hessler über die Telefonzentrale seiner Firma zu erreichen, hatte ihren Namen genannt und hinzugefügt, dass sie eine wichtige Information über die Ermordung seines Sohnes geben konnte. Doch Hessler war unerreichbar und hatte die strikte Anweisung gegeben, nicht gestört zu werden.
»Dann müssen wir warten«, meinte Mundt.
»Nein«, sagte Danielle entschieden, »wir können nicht warten. Die Wächter des Tores werden unterwegs sein, wenn sie nicht schon hier sind. Wir müssen Hessler jetzt gegenübertreten. Noch heute Abend.«
»Und wie?«
»Wir tun, was wir am besten können, Mundt.«
Nach dem langen Umweg, den sie in Kauf genommen hatten, um nach New York City zu gelangen, war Danielle erschöpft. Ihre Schwangerschaft und die sorgenvollen Gedanken um ihren Vater beschleunigten die Auswirkungen solcher Überanstrengungen nur noch. Doch sie versuchte, ihre Reserven zu mobilisieren, die sie brauchen würde, um diese Sache zu Ende zu führen.
Danielle wusste, dass Paul Hessler nach dem versuchten Mordanschlag in Israel gut bewacht wurde. Deshalb – und weil es ihr und Mundt an den nötigen Mitteln fehlte, um Zugang zu seinem Haus zu gewinnen –, blieb ihnen nichts anderes übrig, als einen anderen Weg zu wählen. Danielle hielt Hesslers Konzernzentrale in den Türmen für die beste Möglichkeit. Sie schlug vor, Zugang zu dem Gebäude zu finden und bis zu seinem Eintreffen am nächsten Morgen zu warten. Es war nicht gerade der beste Plan, unter den gegebenen Umständen jedoch die einzige Erfolg versprechende Wahl.
Bei einem Anruf bei der Verwaltung des Gebäudes erfuhr Danielle den Namen der Firma, von der die Reinigungsarbeiten durchgeführt wurden. Der Parkplatz der Firma in New Jersey war unbewacht. Die Dunkelheit der Nacht sorgte für die einzige Tarnung, die Danielle und Hans Mundt brauchten, um einen Van mit der Aufschrift der Firma zu stehlen und ungehindert davonzufahren. Auf dem Weg nach Manhattan zogen sie Overalls an und parkten dann nahe bei einem Lieferanteneingang der Türme.
Sie verfügten natürlich nicht über die richtigen Schlüssel, was sich jedoch als unbedeutendes Problem erwies. Danielle bearbeitete die Tür mit einem Werkzeug, das sie hinten im Van fand. Dieses Werkzeug war groß und ungeeignet für Feinarbeit, doch es reichte, die Tür so behutsam zu öffnen, dass selbst einem scharfen Beobachter die Beschädigung des Schlosses erst auf den zweiten Blick aufgefallen wäre.
Die ganze Zeit spürte Danielle, dass Mundt hinter ihr die Straße beobachtete. Mundt, der hier war, um den Vater zu treffen, der über ein halbes Jahrhundert, nachdem er ihn verlassen hatte, mit einer Lüge gelebt hatte.
Und ich bin hier, um herauszufinden,
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