Die Hüter der Nacht
gehämmert. Der Trainer applaudierte und wechselte zwei Spieler ein, um das Mittelfeld zu entlasten.
Dann wandte er sich zu Ben um, als der sich näherte.
»Ich hätte gedacht, Sie haben für heute genug vom Fußball, Inspector«, sagte Colonel Nabril al-Asi, Leiter des Schutzsicherheitsdienstes, einer der 14 eigenständigen palästinensischen Ordnungsbehörden. Der Schutzsicherheitsdienst war die seit ihrem Bestehen am meisten gefürchtete Polizei und stand unter der direkten Amtsgewalt von Präsident Yasir Arafat. Al-Asi musste sich niemandem außer Arafat verantworten.
»Glauben Sie mir, das habe ich.« Ben beobachtete einige gute Spielzüge der Mannschaft.
»Beeindruckt, Inspector? Mein israelischer Kollege vom Shin Bet hat arrangiert, dass der Kapitän ihrer Nationalmannschaft ein wenig aushilft und den Jungs ein paar Tipps gibt.«
Ben beobachtete, wie al-Asis Mannschaft einen Eckball ausführte und den Gegner weiterhin beherrschte. »Sie haben ihm offensichtlich gut zugehört.«
»Wir sind unbesiegt, Inspector. Normalerweise würde ich mir aus so was nicht viel machen, aber es war schwer genug, meinen Sohn zu überzeugen, dass ich als Trainer etwas tauge.«
»Er hält nicht viel von Ihren fußballerischen Fähigkeiten?«
»Er bezweifelte, dass ich mich zu den Spielen blicken lasse.«
»Das kommt bei Ihnen für gewöhnlich selten vor, Colonel.«
Al-Asi wandte sich gerade lange genug vom Spielgeschehen ab, um Ben mit seinen dunkelbraunen Augen durchbohrend anzublicken. Sein dichtes, grau meliertes Haar bewegte sich kaum in der Brise. In seinem modischen Trainingsanzug sah er genauso gut aus wie in den teuren europäischen Anzügen, in denen Ben ihn sonst sah.
»Die meisten meiner Feinde sitzen im Knast, Inspector. Der Rest ist unter ständiger Überwachung. Ich hielt es für an der Zeit, meinen Kindern zumindest den Anschein eines normalen Lebens zu geben.«
Ben lächelte und schwieg.
Al-Asi runzelte die Stirn. »Aber jetzt liegt mir meine Tochter in den Ohren, wann es eine Frauenmannschaft geben wird, in der sie spielen kann. Sie hat die Damen-Weltmeisterschaft im Fernsehen gesehen und kickt den Ball im Hof herum, als wäre sie ein brasilianischer Fußballstar. Aber sie versteht nicht, dass unsere Kultur nicht fortschrittlich genug ist, um Frauensport zu erlauben. Wenn ich ihr sage, dass wir eines Tages so weit sein werden, fängt sie zu heulen an. Kinder sind nicht so sehr an der Zukunft interessiert.«
»Auf jeden Fall müssen sie froh sein, wieder mehr von Ihnen zu haben.«
»Wir leben jetzt in einer echten Nachbarschaft mit anderen Kindern. Auch das gefällt ihnen.«
Der Schiedsrichter pfiff ab. Al-Asi ging zu seinen Spielern und applaudierte überschwänglich.
»Sie haben Ihre Sache heute Morgen großartig gemacht, Inspector«, wandte er sich dabei an Ben. »Wie geht es dem verletzten Beamten?«
Ben hielt mit dem Colonel Schritt. »Er wird gesund.«
» Al hamdu lillah «, sagte al-Asi, und seine Stimme klang ungewöhnlich ehrfurchtsvoll. »Gott sei Dank.«
»Zum Glück haben wir die Diskette sichergestellt und kennen deshalb jetzt Mahmoud Fasils Netzwerk.«
»Nicht genau.«
»Bürgermeister Wallid sagte mir …«
»Der hat Ihnen bloß erzählt, was er von mir gehört hat, Inspector. Aber Ihnen werde ich die Wahrheit sagen. Die Diskette enthält nur dummes Geschwätz. Es gibt überhaupt keinen Sinn.«
»Verschlüsselt?«
»Nein«, sagte al-Asi. »Sie enthält einfach nichts, das auf irgendeine Art und Weise Beziehung zu dem Netzwerk des Terroristen hat, das wir zu identifizieren hoffen. Außerdem ist der Text Englisch. Vielleicht können Sie sich das mal ansehen und mir sagen, was Sie davon halten.«
»Was hat Fasil dann damit gemacht?«
»Wir hoffen, der eingesperrte Fußballstar Abdel Sidr kann uns das erzählen, aber bis jetzt hat er noch nicht den Mund aufgemacht. Ich werde ihn als Erstes morgen früh besuchen. Ich hoffe, dann wird er sich anders besinnen.«
»Vielleicht haben wir irgendwo Mist gebaut«, sagte Ben nachdenklich. »Vielleicht hätten Sie Fasil nicht uns überlassen sollen, Colonel.«
»Sie meinen, ich habe einen Fehler gemacht, indem ich Ihren Männern den Auftrag anvertraut habe?«
»Nur, weil Ihre Männer weitaus erfahrener in solchen Situationen sind.«
»Sie haben die Geschichte nicht geglaubt, die ich als Vorwand erzählt habe?«
»Keine Minute.«
Al-Asi blieb stehen. »Ich dachte, sie wäre gut für Sie, Inspector. Ein echter Auftrag, anstatt einer
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