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Die Hüter der Nacht

Titel: Die Hüter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Land
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hindurch, an denen Nippes, Perserteppiche und Lederwaren angeboten wurden. Einer der Männer war schmächtig und humpelte leicht, was jedoch nur zu bemerken war, wenn er schneller zu gehen versuchte: Er war ein älterer Mann mit aschgrauem Gesicht, dessen düstere Züge von keinem noch so strahlenden Licht erhellt werden konnten.
    Der jüngere Mann, bekleidet mit einem langen schwarzen Ledermantel, überragte ihn und verbarg den älteren Mann mit seinem Schatten. Dichtes schwarzes Haar bedeckte seinen Schädel wie eine buschige Kappe. Seine Gestalt war kräftig und muskulös, doch tiefe Falten durchzogen sein Gesicht und bildeten ein Netzwerk aus Runzeln und Furchen. Die Augen waren blutunterlaufen und blickten müde, die Pupillen waren groß, und der Rand des Augapfels leicht gelblich. Ein dunkles Hemd bedeckte den mächtigen Brustkorb unter seiner Jacke.
    Ein Wagen mit offenem Fenster rollte vorbei. Der ältere Mann ließ ihn passieren, bevor er sprach. »Warum sind Sie mit diesen Anschuldigungen zu mir gekommen?«, fragte Abraham Vorsky.
    »Wegen Ihrer Vergangenheit«, erwiderte Hans Mundt, der jüngere Mann.
    »Sie meinen als Ex-Leiter des Mossad«, meinte Vorsky und bezog sich damit auf Israels Geheimdienst. »Oder als sonst etwas?«
    Mundts Blick fiel auf die Tätowierung auf dem Unterarm des alten Mannes. »Sagen Sie es mir.«
    Vorsky zog den Arm zurück an seine Seite. »Mal angenommen, es stimmt, was Sie behaupten …«
    »Sie haben den Beweis gesehen.«
    »Ich habe gesehen, was Sie mir gegeben haben, mehr nicht.«
    Die beiden Männer schwiegen, als ein zahnloser Händler Mundt eine gewaltige nargilah entgegenstreckte, eine Wasserpfeife. Mundts Hand schoss so schnell vor, dass der Verkäufer sie erst sah, als ihm die Wasserpfeife aus der Hand gefegt wurde und auf den Asphalt fiel.
    »Sie sagten, Sie wollen keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen«, warnte Vorsky.
    »Manchmal lässt es sich nicht ändern«, entgegnete Mundt.
    Vorsky vergewisserte sich mit einem schnellen Rundblick, dass niemand auf sie aufmerksam geworden war. Der Geruch von al-ha 'esh , Braten, hing in der Luft, und das Zischen von Fleisch auf Grillfeuern folgte ihnen auf Schritt und Tritt. Die Geräusche und Düfte machten Appetit, doch Vorsky musste seit Jahren strenge Diät halten.
    »Angenommen, Ihre Information ist zutreffend – was genau erwarten Sie von mir?«, fuhr Vorsky fort.
    »Das ist Ihre Entscheidung. Ich habe meinen Teil getan, indem ich hergekommen bin und Sie informiert habe.«
    »Sie hätten sich an herkömmlichere Behörden wenden können.«
    »Ich finde, dass die Sache nicht im allgemeinen Interesse ist. Wenn das jemals in der Öffentlichkeit bekannt wird …«
    »Was ist mit Ihren eigenen Interessen?«, unterbrach der alte Mann.
    So, wie Vorsky ihn ansah, fragte sich Mundt, ob der ehemalige Leiter des Mossad von seinem letzten Ausflug wusste, den er vor ein paar Wochen nach Polen gemacht hatte und der ergeben hatte, was Mundt schon sehr lange suchte …
    »Hierher! Ich habe etwas gefunden!«, hörte Mundt den Arbeiter rufen, den er eingestellt hatte, als sie einen Abschnitt der Wälder nördlich von Lodz nahe des Orts Lecyca durchsuchten.
    Mundt eilte zu dem Mann und sah ihn auf etwas zeigen, das er soeben ausgegraben hatte.
    »Da!«, sagte er aufgeregt, als Mundt heran war. »Es ist das, was Sie suchen, ja?«
    Mundt legte seine eigene Schaufel auf den Boden und stieg in die ausgehobene Grube, und der Saum seines langen Ledermantels wurde sofort von Eis und gefrorenem Dreck beschmutzt. Dann ging er in die Hocke und rieb mit der Hand über einen gelblich weißen Gegenstand, der schräg aus dem Boden ragte.
    »Es ist ein Knochen, nicht wahr?«, fragte der Arbeiter aufgeregt. »Es muss das Grab sein, das Sie gesucht haben! Das muss es sein!«
    »Ja«, sagte Mundt mit tonloser Stimme. »Das müsste es sein.«
    »Sie sprachen von einem Bonus, wenn …«
    Der Mann verstummte, als Mundt sich aufrichtete; er war so groß, dass er und der Arbeiter fast Auge in Auge waren, obwohl Mundt knietief in der Grube stand. Der Arbeiter, der diesen Teil der Waldgegend besser kannte als jeder andere und der von seinem Vater Geschichten von den Geistern gehört hatte, die seit dem Zweiten Weltkrieg angeblich durch diese Wälder streiften, stützte sich auf seine Schaufel und schluckte schwer.
    »Und wessen Grab ist das?«, fragte er.
    Mundt nahm seine Schaufel und stieß sie in den Boden. »Helfen Sie mir, zu Ende zu graben!«, befahl er,

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