Die Hüter der Nacht
als das Schaufelblatt auf die Überreste eines Materials stieß, das der Stoff eines Mantels sein konnte. »Vielleicht finden wir es heraus.«
»Ich frage noch einmal, welches Interesse Sie an dieser Sache haben«, wiederholte Abraham Vorsky, der ehemalige Leiter des Mossad. »Hinter was sind Sie her?«
»Vielleicht versuche ich, mich zu bessern«, meinte Mundt.
»Für Ihr Volk? Vergessen Sie es. Das ist jetzt alles Geschichte.«
»Nicht das. Nicht, was ich Ihnen gebracht habe. Die Sicherheit Ihres Landes steht hier auf dem Spiel.«
Vorsky bemühte sich, unbeeindruckt zu wirken. »Sie haben mir immer noch nicht gesagt, was Sie von mir als Gegenleistung verlangen.«
»Zugang zu Ihren Akten.«
»Unmöglich!«
»Ich bitte nur um eine.«
Vorsky blinzelte nachdenklich. »Ich höre. Was schlagen Sie vor?«
»Ich gebe Ihnen drei Namen, um anzufangen. Wenn meine Story sich als richtig erweist, geben Sie mir im Tausch für den Rest den Zugang, den ich haben will.«
»Wie viele Namen sind es insgesamt?«
»Mehr als drei.«
Nach diesen Worten zog Hans Mundt langsam und vorsichtig ein paar gefaltete Seiten aus seinem Jackett, wobei er darauf achtete, beide Hände deutlich sichtbar zu halten. Abraham Vorsky nahm die Seiten, zögerte jedoch, bevor er sie einsteckte.
»Wenn Sie diesen Weg gehen, wird es kein Zurück geben, ist Ihnen das klar?«, warnte der alte Mann.
»Ich bin ihn bereits zurückgegangen«, sagte Mundt und dachte an das Grab, das er in den polnischen Wäldern nördlich von Lodz vor etwas über zwei Wochen gefunden hatte. »Deshalb bin ich heute Abend hier.«
ZWEITER TAG
14.
»Danke für dein Kommen«, sagte Danielle zur Begrüßung, als sie die Praxis des Arztes betrat und bereits von Ben erwartet wurde.
»Danke für deinen Anruf«, erwiderte er und nahm ihre Hände in seine. »Was ist los?« Sie waren allein im Wartezimmer, aber er hoffte, sie würde trotzdem noch länger bei ihm bleiben.
»Ich weiß es nicht. Ich hatte einige Untersuchungen. Der Arzt wollte mir nichts sagen, bis er die Ergebnisse vorliegen hat.«
Danielle gefiel es, Bens Hände auf ihren zu spüren. Sie waren weicher als die der meisten israelischen Männer, die sie gekannt hatte, was auf einen Mann hindeutete, der sein Leben innerlich gelebt hatte statt äußerlich. Danielle hatte sich entschieden, Ben in der vergangenen Nacht anzurufen, denn ihr Gespräch mit Layla Saltzman machte ihr zu schaffen. Es hatte ihr deutlich gemacht, wie traurig es war, niemanden zu haben, der einem in schweren Zeiten half und die guten Zeiten mit einem teilte.
»Ich dachte, du hast ein Recht, hier zu sein«, fuhr Danielle fort.
»Ich weiß das zu schätzen.«
»Es freut mich, dass du die Tür für mich nicht zugeschlagen hast, Ben.«
»Du weißt, dass ich nicht aufgeben werde«, sagte er. »Das liegt nicht in meiner Natur.«
Danielle hatte vor fast vier Monaten erfahren, dass sie schwanger war, jedoch ein paar Wochen gewartet, bis sie es Ben gesagt hatte. Sie hatte gewartet, weil sie beschlossen hatte, das Kind allein aufzuziehen. Schließlich wurde jedes Kind mit einer jüdischen Mutter und einem palästinensischen Vater von Geburt an zum Ausgestoßenen, zum Paria. Es würde nicht fair sein, für keinen von ihnen.
Ben und Danielle hatten sich bei der ersten gemeinsamen Ermittlung der israelischen und palästinensischen Regierungen kennen gelernt. Ihre Animosität hatte sich rasch in gegenseitigen Respekt verwandelt. Später hatte eine sonderbare Art Abhängigkeit dazu geführt, dass sie Geliebte wurden. Doch beiden war klar geworden, dass eine langfristige Beziehung für sie unmöglich war, und so hatten sie sich widerstrebend getrennt. Nach einer kurzen Liaison mit einem israelischen Armeeoffizier war Danielle schwanger geworden. Weil es nicht die große Liebe gewesen war, hatte sie mit dem Offizier Schluss gemacht, und er war aus ihrem Leben verschwunden. Ein paar Wochen später hatte sie bei einer Fehlgeburt das Baby verloren.
Die Einsamkeit, die darauf folgte, und die Depressionen hatten sie wieder zu Ben geführt. Keiner von beiden hatte sich Illusionen über den Fortgang ihrer Beziehung gemacht, doch sie hatten sich verzweifelt an die Gesellschaft des anderen geklammert und sie genossen. Danielle hatte sich mit der Zeit mehr auf ihr wöchentliches Rendezvous mit Ben gefreut als auf alles andere in ihrem Leben.
Ihre jetzige Schwangerschaft war ebenso wenig geplant gewesen wie die erste. Sie klammerte sich an ihre zweite Chance,
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