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Die Hüter der Nacht

Titel: Die Hüter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Land
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ein Kind zu bekommen, betrachtete es als Rettung aus dem Kummer ihres einsamen Lebens. Außer einer einzigen Tante und einem Onkel waren alle Mitglieder ihrer Familie tot; sie war beinahe besessen davon gewesen, ein Baby zu bekommen – so sehr, dass sogar ihre Liebe zu Ben darunter gelitten hatte. Sie wusste, wie schlimm sie ihn gekränkt hatte, als sie beschloss, das Kind allein großzuziehen, doch die Aufregung und ihre Entschlossenheit hatten sie blind für seine Gefühle gemacht. Bis heute hatte sie ihn sechs Wochen lang nicht gesehen, und nun fragte sie sich, ob ihre Entscheidung wirklich das Beste für alle Beteiligten gewesen war.
    Denn die Wahrheit war, dass sie schreckliche Angst davor hatte, ein Schicksal wie Layla Saltzman zu erleiden.
    »Ich bin für dich hier«, sagte Ben, als die Tür zum Wartezimmer geöffnet wurde, die Arzthelferin den Kopf in Zimmer steckte und sagte:
    »Miss Barnea, der Doktor möchte Sie jetzt sehen.«
    Dr. Barr saß hinter seinem Schreibtisch, als Danielle sein Büro betrat, gefolgt von Ben. Das Haar des Arztes war vorzeitig ergraut, und sein Gesicht wirkte auf Danielle stets sonnenverbrannt.
    »Guten Morgen, Pakad.« Dr. Barr erhob sich hinter seinem Schreibtisch. Was als höfliche Geste begann, wurde zu aufmerksamem Interesse, als er Ben betrachtete. »Ich glaube, wir kennen uns noch nicht.«
    Ben reichte ihm die Hand. »Ben Kamal.«
    »Sie sind …«
    »Ein Freund von Danielle.«
    Dr. Barr zögerte. Dann bot er beiden Stühle vor seinem Schreibtisch an. »Bitte, nehmen Sie Platz.«
    Auf seinem Schreibtisch lag ein Klemmbrett; die Seiten darauf waren geknickt und unten aufgerollt, nachdem sie mehrmals gelesen worden waren. Der Arzt blätterte zur ersten Seite und versuchte sie zu glätten.
    »Pakad Barnea«, begann er und konzentrierte sich nur auf Danielle. »Die Untersuchung des Fötus auf genetische Merkmale ist noch keine genaue Wissenschaft, wie ich es schon einmal mit Ihnen besprochen habe. Aber Folgendes kann ich Ihnen mit ziemlicher Sicherheit … und mit Bedauern … mitteilen.« Er neigte sich vor, verschränkte die Hände über dem Klemmbrett und drückte sie fest zusammen. »Bei der jüngsten Reihe der Blutuntersuchungen des Fötus' haben wir eine genetische Anomalie Ihres Babys festgestellt.«
    »Anomalie?«
    »Eine ziemlich ernste, befürchte ich.«
    Ben blickte zu Danielle und wollte wieder ihre Hand ergreifen, doch sie nahm beide Hände von den Stuhllehnen und verschränkte sie im Schoß.
    Danielle fühlte sich, als hätte ein Fausthieb ihr den Atem genommen. »Anomalie. Das bedeutet …«
    »Dass etwas nicht in Ordnung ist. Eine negative Indikation.«
    »Was heißt das genau?«
    »Haben Sie jemals von Ornithine Transcarbamylase Deficiency oder OTC gehört?«
    »Nein. Ist das die Anomalie, von der Sie sprechen?«
    »Es ist eine sehr seltene Stoffwechselstörung, die manchmal mit strenger proteinarmer Diät und Medikamenten behandelt werden kann. Aber die Stärke der Anzeichen, die wir entdeckt haben, weist darauf hin, dass Ihr Fötus an einer ernsten Form der Störung leidet.« Der Arzt hielt für einen Moment inne. »Ich befürchte, sie ist tödlich.«

15.
    Tödlich …
    Das Wort traf Danielle wie ein Faustschlag. Ihr Herz schien auszusetzen, ihr Atem stockte, und die Zeit schien einen Moment stehen zu bleiben.
    »Es tut mir sehr Leid, es so offen zu sagen, aber zu diesem Zeitpunkt sollten wir eine genetische Beendigung als Option in Erwägung ziehen.«
    Danielle spürte, wie ihr Hitze ins Gesicht stieg. Ben tastete hinüber zu ihrem Schoß, und diesmal ergriff er ihre Hände.
    »Sie meinen Abtreibung«, sagte sie.
    »Ich bezweifle, dass die Bezeichnung in diesem Fall korrekt ist.«
    »Im Gegensatz zu genetischer Beendigung.«
    »Weil die Entbindung nicht wirklich infrage steht. Wir sprechen hier von … einem Gnadenakt.«
    »Für wen?«, fragte Danielle.
    »Wie sicher sind Sie bei Ihrem Befund?« Ben blickte den Arzt fragend an.
    »Sehr sicher.«
    »Können Sie diesen Test wiederholen?«
    »Das haben wir bereits getan. Die genetischen Merkmale waren identisch.«
    »Was ist mit einer zweiten Meinung?«, setzte Ben nach. »Es muss irgendwo Spezialisten geben.«
    »Ich habe einen Spezialisten wegen der beiden Testergebnisse konsultiert. Er war es, der die Diagnose stellte. Aber es steht Ihnen natürlich frei, einen anderen Spezialisten Ihrer eigenen Wahl zu suchen.«
    »Ich verstehe einfach nicht …« Ben verstummte, als Danielle ihm ihre Hand entzog,

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