Die Hüter der Nacht
Probleme, deshalb habe ich leider keine Akte des Nachrichtendienstes aus jüngerer Zeit über sie. Ashawi ist ein häufiger Name, aber ich glaube, ich habe ihre Verwandten auf die drei Namen auf dieser Liste begrenzt.«
Ben schaute sich rasch die Namen und Adressen auf dem Zettel an. »Interessant, dass Sie trotzdem so schnell damit aufwarten können. Ich wusste gar nicht, dass Ihr Büro technisch so fortschrittlich ausgerüstet ist.«
»Das ist es nicht«, sagte al-Asi und betätigte den linken Blinker. »Wir haben die Akten von den Israelis geerbt, die es ziemlich gut verstanden haben, sich über jeden auf dem Laufenden zu halten. Geben Sie mir bis morgen früh Zeit, und ich habe die Liste bis auf einen Namen eingegrenzt.«
22.
»Ihre Leiche exhumieren? Warum, in Gottes Namen?«
»Bitte«, sagte Danielle zu David und Sheri Jacober mit so viel Mitgefühl, wie sie aufbringen konnte. »Ich weiß, wie das für Sie klingen muss. Aber ich wäre nicht hier und würde Sie darum bitten, wenn ich nicht meine Gründe hätte. Tatsache ist … ich bin hier, weil der Tod Ihrer Tochter Beth vielleicht kein Unfall war.«
Die Jacobers tauschten einen besorgten Blick. Sie wohnten in Saryan, einem exklusiven Vorort von Tel Aviv, wo die Häuser eingezäunte und mit Toren gesicherte Höfe hatten, die viel größer waren als diejenigen, an die normale Israelis gewohnt waren. Die frisch asphaltierten Straßen waren breiter als die meisten in anderen Vororten, und neben dem Kontingent der dort stationierten Armee und Polizei patrouillierte ein privater Sicherheitsdienst.
»Wovon reden Sie?«, fragte Sheri Jacober.
»Ich glaube, dass Ihre Tochter ermordet wurde.«
Sheri Jacobers Augen füllten sich mit Tränen. Danielle erinnerte sich an ein Foto von ihrer verstorbenen Tochter, das sie auf Layla Saltzmans Couchtisch gesehen hatte. Die Ähnlichkeit zwischen Mutter und Tochter war verblüffend. Das schwarze Haar, die feinen Gesichtszüge und der natürlich gebräunte Teint.
»Sie fuhr betrunken, Chief Inspector. Sie verließ eine Party im Haus von Freunden und fuhr betrunken, als sie …« Der Rest ihrer Worte ging in Schluchzen unter.
»Ich habe den Bericht gelesen. Ihre Freunde sagten, sie sei nüchtern gewesen.«
»Das sagen sie immer. Um einander zu schützen.«
»Wir sind von den Vereinigten Staaten hergezogen, um diesen Dingen zu entgehen«, fügte ihr Mann David hinzu. »Wir dachten, hier wäre es anders.«
»Genauso wie Sie dachten, die Gemeinschaftsschule, auf die Ihre Tochter bis vor einem Monat ging, wäre anders?«, fragte Danielle.
Sheri Jacober blickte zu ihrem Mann und antwortete dann. »Warum ist das wichtig?«
»Zwei andere Schüler dieser Schule sind in der vergangenen Woche gestorben.«
»Wir wissen von dem Selbstmord des jungen Saltzman, aber wir sind nicht zur Beerdigung gegangen. Wir konnten kein weiteres Begräbnis ertragen.«
»Ein palästinensischer Junge von dieser Schule ist ebenfalls tot.«
»Was hat das mit uns zu tun? Mit unserer Tochter?«, fragte David Jacober.
»Die drei waren eng befreundet. Unzertrennlich, sagt die Schuldirektorin.«
Sheri Jacober neigte sich vor, schien sich von ihrem Mann zu distanzieren. Bei Danielles Ankunft hatte sie Kaffee angeboten, die Kaffeemaschine in der Küche bestückt und angestellt, den Kaffee jedoch nicht aus der Küche geholt. Jetzt hing der Duft von irischem Kaffee schwer in der Luft und überdeckte alle Gerüche im Haus. »Was wollen Sie von uns, Chief Inspector?«
»Auf Ihren Wunsch wurde aus religiösen Gründen niemals eine Autopsie bei Ihrer Tochter durchgeführt. Warum die Mühe, wenn die Todesursache so offensichtlich war? Aber jetzt ist sie vielleicht nicht so offensichtlich, und wir müssen sichergehen …«
»Sie ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen«, sagte David Jacober mit Bestimmtheit. »Was erwarten Sie da von einer Autopsie?«
Danielle neigte sich vor und sehnte sich nach der Tasse Kaffee – koffeinfreien, natürlich –, die Sheri Jacober ihr nie gebracht hatte. Außerdem hatte sie Heißhunger auf etwas Süßes, einem Plätzchen oder Keks. So war es seit kurzem. Sie war Tag und Nacht hungrig. Ihr Magen knurrte, und sie glaubte zu spüren, wie sich das Baby in ihr bewegte.
»Ich glaube nicht, dass der Tod Ihrer Tochter überhaupt ein Unfall war.« Danielle senkte die Stimme. »Ich glaube nicht, dass Michael Saltzman Selbstmord begangen hat, und ich glaube ebenso wenig, dass der Tod eines palästinensischen Jungen namens
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